Parallelwelten
Wie werden einsame junge Männer zu Tätern? Der AZ-Chefreporter über die Suche nach Gründen für die Katastrophe.
Nach Katastrophen brauchen Menschen Erklärungen. Wie Verdurstende nach Wasser suchen sie nach Antworten, um das Unfassbare fassbarer zu machen. Und deshalb ist die Versuchung groß, sich mit dem scheinbar Nächstliegenden zufrieden zu geben. Das wird, in Winnenden und anderswo, der Schrecklichkeit der Sache nicht gerecht.
Alle Amokläufer der letzten Zeit spielten Killer-Spiele und waren im Internet aktiv. Macht also das Spielen von „Counterstrike“ oder das Mitreden in Chatrooms zum Massenmörder? Das stimmt nicht, weil Spiele wie „GTA“ oder „Doom“ Massenartikel sind, die Massen aber nicht zu Mördern werden.
Es gehört mehr dazu, um aus einsamen jungen Männern Täter zu machen: Eltern, die nicht mehr an ihre Kinder rankommen; Lehrer, die sich nur noch als Wissensvermittler begreifen; kindliche Riesen-Egos, die jede Kritik als narzisstische Kränkungen in Aggression umwandeln – wenn all das zusammenkommt, wird es brisant. Und wenn noch die Gelegenheit da ist, mit Vaters Waffen nachzumachen, was einen beim Ego-Shooter-Spiel aufs nächste Level bringt, dann kann es gefährlich werden.
Die Realität hat durch Parallelwelten wie OnlineSpiele eine neue Dimension bekommen. In dieser Welt ist Gewalt eine Lösung. Wer dort viel schießt und viel trifft, ist erfolgreich und cool. Dass es einen Unterschied gibt zwischen dieser Welt und der Realität: Das müssen Erwachsene Kindern beibringen – und vorleben. Wir können es uns nicht leisten, noch mehr von ihnen zu verlieren.
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