Offene Wunde

Gewalttaten passen nicht nur den Autonomen ins Konzept. AZ-Chefreporter Matthias Maus über die Proteste gegen den Castor-Transport.
von  Abendzeitung
Matthias Maus
Matthias Maus © az

Gewalttaten passen nicht nur den Autonomen ins Konzept. AZ-Chefreporter Matthias Maus über die Proteste gegen den Castor-Transport.

Es war einmal ein friedliches Fest. Es war tatsächlich eine Manifestation von Bürgerwillen, wie es ihn nicht alle Tage gibt am Samstag. Irgendwie sollte es das nicht sein. Man braucht kein Anhänger von Verschwörungstheorien sein, aber einzelne Gewalttaten an den Schienen des Castortransports passen nicht nur den Autonomen gut ins Konzept.

Dringend braucht diese Politik, braucht diese Regierung die Vorstellung von einer gewaltbereiten Szene, die den Protest gegen Castor beherrscht. Diese Vorstellung ist ein Phantom. Wer sich durchs Wendland bewegt in diesen Castor-Tagen, der kann erahnen, was aus einer bürgerlichen Demokratie wird, wenn die Leute darin nicht ernst genommen werden.

Wer erlebt, zu welcher Wut Frauen mit Dauerwellen und Männer mit Jägerhut fähig sind, wenn ihnen Polizisten im Kampfanzug den Weg nach Hause versperren, der ahnt: Hier ist etwas schief gelaufen. Der kann auch erahnen, wie wichtig es war, den Atom-Konflikt in diesem Land zu entschärfen, und wie unverantwortlich es war, ihn wieder aufzuschnüren.

Es ist letztlich gleichgültig, ob die lockeren Knüppel politisch angeordnet wurden oder nicht. Das Land hat hier eine offene Wunde. Die Menschen verstehen nicht, warum sie wegen eines 33 Jahre alten Beschlusses Abfalleimer des Landes sein sollen. Und das um so weniger, als die Regierung beim Atom-Ausstieg sehr klar gemacht hat, dass sie geltendes Recht zu ändern bereit ist – wenn es ihr und ihren mächtigen Lobbys in den Kram passt.

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