Nirgendwo mehr ohne: Die Überall-Werbung
MÜNCHEN - Am Badestrand, auf der Toilette, dem Bierdeckel, dem Flugzeugticket: Vor allem dort, wo sie nicht erwartet wird, springt uns Reklame an und setzt auf den Überraschungseffekt
Ausgehen in München: Das Faltblatt zum Mitnehmen in der U-Bahn informiert über die neuesten Aldi-Angebote. Haben die Nachtschwärmer die U-Bahn verlassen und ihre Bar erreicht, begrüßt sie im Eingangsbereich ein Ständer mit Werbepostkarten. Auf der Toilette hängt der „Parfum Point“, etwas banaler ausgedrückt: ein Parfümspender, der einen aktuellen Duft anpreist. In der Toiletten-Kabine und überm Urinal grüßt die nächste Werbebotschaft.
Überrascht? Amüsiert? Werbung auf der Fahrrad-Rikscha, den Papierservietten, im Stehcafé: An allen möglichen Orten springen uns mittlerweile Reklamebotschaften an. Im Auftrag von Unilever erfand eine Agentur einen besonderen Dreh für Fitnessstudios: Sobald Sportlerinnen im Umkleideraum ihre jeweiligen Spinde öffneten, gab ein Spender den Duft eines bestimmten Deodorants frei.
Firmen interessieren sich immer mehr für neue Werbeformen, sagt Marketing-Experte Konrad Zerr (siehe Interview). Unter dem Begriff „Ambient Marketing“ (Werbung in der unmittelbaren Umgebung) suchen Agenturen ständig neue Werbeflächen, von der Parkbank übers Straßenpflaster bis zum Kino- oder Flugzeug-Ticket oder den Kleiderbügel im Hotelzimmer.
Wer wirklich um jeden Preis Aufmerksamkeit will, entscheidet sich fürs „Guerilla-Marketing“, bei dem bewusst Regeln verletzt werden. Das kann – wie bei einem australischen Football-Spiel – ein Nackter sein, der übers Feld läuft und für eine Telefongesellschaft wirbt. Oder die 36 orange gekleideten Schönen, die bei der Fußball-Begegnung zwischen den Niederlanden und Dänemark Werbung für Bier der niederländischen Brauerei Bavaria machten – zum Ärger der offiziellen Sponsoren, die die Mädels öffentlichkeitswirksam aus dem Stadion werfen ließen. Bavaria dürfte sich durch die Aktion zu durchaus vertretbaren Kosten Aufmerksamkeit verschafft haben.
München ist allerdings für Werbetreibende, die ausgefallene Werbefeldzüge planen, ein ziemlich schwieriges Pflaster. Offizielle Genehmigungen seien sehr schwer zu bekommen, sagt José Filipe von Jack Liberties. Ohne Genehmigung gehe erst recht nichts: „Dann tippt uns nach fünf Minuten jemand von der Stadt auf die Schulter und wir müssen alles abräumen.“ sun
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