Muss Margot Käßmann gehen?
Die AZ-Redakteure Frank Müller und Michael Heinrich über die Alkohol- Fahrt von EKD-Chefin Margot Käßmann und die möglichen Konsequenzen
Pro
Es gibt Dinge, die gehen vorbei. Und es gibt Anderes, das bleibt an einem kleben. Die Trunkenheitsfahrt von Deutschlands evangelischer Kirchenchefin gehört leider in Kategorie zwei. Und das ist schade, weil Margot Käßmann die richtige Frau zur rechten Zeit zu sein schien. In ihren privaten Turbulenzen fanden sich viele wieder, an ihren politischen Äußerungen konnte man sich, auch wenn ihre Sprüche zu Afghanistan daneben waren, zumindest reiben.
Hier aber geht es nicht mehr um Stilfragen und persönliche Lebensführung. Mit 1,54 Promille bei Rot über die Kreuzung – wer so unterwegs ist, der weiß, dass er Menschenleben riskiert. Und darin liegt das Glaubwürdigkeitsproblem, das die Bischöfin nicht mehr los werden wird.
Sie präsentierte sich streitbar und bereit zum Anecken – das war gut. Je stärker man das tut, desto weniger darf man sich angreifbar machen. Hier hat Margot Käßmann nun ein Problem. Deswegen muss und wird sie gehen.
Contra
Auch sie selbst beschönigt es nicht. „Alkohol am Steuer ist gefährlich und unverantwortlich“, sagt die ertappte Bischöfin Käßmann. Das Delikt muss und wird strafrechtliche Konsequenzen haben. Ein längerer Führerscheinentzug und eine ihrem Gehalt entsprechende, saftige Geldstrafe sind angemessen.
Aber nicht nur, weil die Trunkenheitsfahrt in ihrer Freizeit passiert ist, ist sie kein Grund, auf ihre Kirchenämter verzichten zu müssen. Natürlich hat sie eine Vorbildfunktion, muss ihre eigenen moralischen Ansprüche vorleben. Doch auch kirchliche Vorbilder sind keine Heiligen, dürfen Fehler und Schwächen haben und das Recht auf einen Blackout.
Besonders wenn man, wie Margot Käßmann, einen außergewöhnlich stressigen Beruf hat, ständig im Rampenlicht der Öffentlichkeit steht, hat man das Recht, sich im Privatleben mal gehen zu lassen – ohne scheinheilige Rücktrittsforderungen fürchten zumüssen.
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