Moral und Verachtung
MÜNCHEN - Der Chefreporter der AZ Matthias Maus über systematischen Missbrauch der Gesetze.
Es wird viel über Anstand geredet in diesen Zeiten. Darüber, was sich gehört und was nicht. Gerade steht wieder eine Sekretärin vor dem Arbeitsgericht, die „für einen Geschäftsimbiss bestimmte Brötchen“ selber gegessen hat. Die Dame muss natürlich rausfliegen, sagt der Arbeitgeber. Weil: Stehlen ist verboten, tut man nicht, keine Frage.
Doch wie anständig, wie gehörig ist eigentlich das? Da brütet eine große Drogeriekette ein Modell aus, mit dem Löhne gedrückt und zugleich der Steuerzahler abkassiert wird. Das Konzept geht so: Wir schließen Märkte und feuern die Mitarbeiter. Ein paar Meter weiter machen wir neue, größere Geschäfte auf mit denselben Mitarbeitern. Nur werden die jetzt über eine Leiharbeitsfirma eingestellt, die zahlt nur noch die Hälfte, Urlaubs- und Weihnachtsgeld gibt’s auch nicht. Natürlich kann von dem Geld niemand leben. Was machen die Verkäuferinnen? Sie stocken ihr Gehalt mit Hartz IV auf.
Hier paart sich wirtschaftliche Findigkeit mit krimineller Energie, und hier muss der Gesetzgeber handeln. Die Frage, was sich gehört und was nicht in einer Gesellschaft, stellt sich umso dringender, je weniger es zu verteilen gibt – auch wenn es um Arbeitsplätze geht.
Wenn gegen diebische Sekretärinnen und wegen ein paar Pfandbons die große Keule geschwungen wird, dann hat der systematische, betrügerische Missbrauch von Gesetzen und Staatshilfe erst recht die volle Wucht der Gesetze verdient. Zutiefst verachtenswert sind solche Methoden allemal.
Matthias Maus
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