Mogelpackungen: Schummeln ohne Ende

Audio von Carbonatix
MÜNCHEN/HAMBURG - Versteckte Preiserhöhungen bis zu 100 Prozent: Seit es keine verbindlichen Mengenvorgaben mehr gibt, tricksen die Firmen immer dreister bei den Verpackungen. Die AZ nennt die neuesten Fälle.
Eine versteckte Preiserhöhung von fast 40 Prozent: Das ist für Claudia Michehl nichts Neues mehr . Erst jüngst hatte die Expertin der Verbraucherzentrale Hamburg wieder einen solchen Fall: Der norddeutsche Hersteller Göbber verkleinerte das Glas Rhabarber-Marmelade von 430 auf 310 Gramm. Der Preis blieb bei 1,79 Euro. „Eine Verteuerung um 38,7 Prozent“, so Michehl.
Die Marmelade ist einer der neuesten Fälle, die sich ab heute auf der schwarzen Liste der Hamburger Verbraucherschützer finden. Darin werden Produkte aufgezählt, bei denen die Hersteller mit Verpackungsgrößen tricksen. Die Masche ist immer ähnlich: Die Verpackung ändert sich kaum. Auch der Preis bleibt oft gleich – aber die Menge wird weniger. Unterm Strich sind die Produkte also teurer.
Seit April 2009 sehen die Verbraucherschützer dabei besonders genau hin. Da hob die EU verbindliche Mengenvorgaben für Lebensmittelverpackungen auf. „Seitdem melden uns die Verbraucher verstärkt neue Fälle“, berichtet Michehl. Die AZ zieht Bilanz.
Die neuen Fälle Seit April ist die Schummel-Liste um gut 50 Produkte gewachsen. Heute kommen nochmal acht dazu. Darunter ist die Göbber-Marmelade. Aber auch eine Erdbeerbuttermilch von Weihenstephan, versteckte Preiserhöhung: 20 Prozent. Wellness-Flakes von Lidl sind jetzt 36 Prozent teurer. Die Verpackungsmenge schrumpfte von 750 auf 500 Gramm, der Preis nur von 2,99 auf 1,99 Euro.
Die dreistesten Erhöhungen Den stärksten Preissprung schaffte der Kosmetikhersteller Reckitt Benckiser. Er halbierte die Menge der Clerasil Pickel-Creme bei gleichem Preis. Teuerung: 100 Prozent. Zwei Drittel teurer wurden Schokolinsen von Brand und Zahnpflege-Kaugummis von Odol.
Die fiesesten Tricks Nicht immer schrumpft bei den Preiserhöhungen die Gesamtmenge. „Die Tricks werden diffiziler“, beobachtet Michehl. So wiegt das Schlemmerfilet von Iglo zwar noch 380 Gramm. Der Fischanteil schrumpfte aber von 70 auf 52 Prozent.
Homann wirbt mit einem höheren Edamer-Anteil im Käsesalat. Allerdings ist die Füllmenge gesunken. Rechtfertigung des Herstellers: Der Verbraucher habe jetzt zwar weniger, dafür aber „höhere Qualität“. Was er verschweigt: Insgesamt ist weniger Käse drin.
Die dringlichste Forderung. Die Verbraucherschützer wollen für Grundnahrungsmittel wie Milch oder Butter wieder verbindliche Verpackungsgrößen. Bislang seien diese Produkte noch von Mogeleien verschont geblieben. „Die Hersteller wissen, dass die Verbraucher da genau hinschauen“, sagt Michehl. Allerdings: Die erste Schrumpfbutter gab’s schon. Der Discounter Netto verkaufte seine Hausmarke in Packungen zu 200-Gramm und warb mit einem „Aktionspreis“. Unterm Strich kostete die Butter aber genau so viel wie im 250-Gramm–Päckchen. Andreas Jalsovec
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