Mächtiges Comeback

Obama riskiert viel – sogar seinen politischen Selbstmord: Matthias Maus, AZ-Chefreporter, über Barack Obamas Gesundheitspolitik
Selten klafften Anspruch und Wirklichkeit soweit auseinander. Selten hat ein Hoffnungsträger die Erwartungen vieler so enttäuscht wie Barack Obama. Und selten hat ein Präsident davon unbeeindruckt ein so mächtiges Comeback hingelegt.
Für Beobachter außerhalb der Landesgrenzen ist eine amerikanische Gesundheitsreform ungefähr so sexy wie ein nasser Wollstrumpf. In den USA dagegen ist die Etablierung von „Obamacare“ eine epochale Leistung. Es geht dabei nicht nur um die 32 Millionen Amerikaner, die erstmals Zugang zu einer Krankenversicherung bekommen. Es geht auch darum, dass der Präsident da weiter gemacht hat, wo seine Vorgänger Clinton und Johnson gescheitert sind. Und es geht darum, dass Obama seine Pläne durchzuziehen bereit ist, auch wenn er „politischen Selbstmord riskiert“ (New York Times).
Obama hat nicht nur verstanden, dass die Kluft in einer entwickelten Gesellschaft nicht wachsen darf. Er war auch bereit, einen hohen Preis für den sozialen Kitt zu zahlen – er riskiert eine fast sichere Niederlage seiner Demokraten bei den Halbzeitwahlen zum Kongress im November, und womöglich seine Wiederwahl in zweieinhalb Jahren.
Bis dahin muss die Reform Früchte tragen. Wenn die Bürger das nicht spüren, wenn es bis dahin nicht mehr Jobs und eine stabilere Wirtschaft gibt, dann hat Obama in der Nacht zum Montag alles verspielt. Dann nützt auch ein geschlossenes Guantánamo oder ein beendeter Irak-Krieg nichts. Obamas wichtigste Schlacht ist zuhause.