Lust am Untergang

"Typisch Sechzig! Wenn schon Chaos, dann Tabula rasa." Gunnar Jans über das Chaos beim Traditionsverein TSV 1860.

Wer mit der eigenwilligen Löwen-Welt, diesem ewigen Blues, nicht vertraut ist, muss bloß mit dem Brennglas auf Giesings Höhen schauen: Da attackieren sich die Anhänger untereinander, als gäb’s Punkte fürs Pöbeln, und währenddessen kommt der fristlos gekündigte Geschäftsführer aus dem Fanshop, grinsend mit einem Löwenschal um den Hals.

Typisch Sechzig, diese Lust am Untergang.

Es scheint, als habe Finanzboss Ziffzer, der 1860 die Lizenz im bezahlten Fußball sicherte, Spaß an seinem Rauswurf, den er selbst provozierte. Wer seinen Boss „eine Schande“ nennt, weiß, dass er entlassen werden muss. Dass er, gefeuert und gefeiert, jetzt mit Drohgebärden daherkommt (weil sich Fans und Sponsoren auf seine Seite stellen), ist billig. Ziffzers letzter Aussetzer war einer zu viel. Der unberechenbare Sanierer mag im Keller prächtig an den Zahlen drehen können, als Sonnengott aber stellt er ein Risiko dar.

Und in welchem Lichte steht das Präsidium da? Auch von Linde, obschon Sieger im Machtkampf mit Ziffzer, ist ein Verlierer im Possenspiel. Er suchte den Crash; die Konfrontation mit dem versierten, zuweilen visionären Geschäftsführer war die einzige programmatische Konstante des Präsidenten, der schon mal am See radeln ging, ohne zu wissen, mit welchem Ergebnis sich seine Kicker im Abstiegskampf quälten. Wäre von Linde, gegen den sich die Mehrheit der Fans wendet und der neue Geldgeber scheinbar vorsätzlich abschreckt, konsequent, müsste er abtreten. Wenn schon Chaos, dann Tabula rasa.

Der Autor ist stellvertretender Chefredakteur der Abendzeitung.