Liebesfalle im Internet

Betrüger aus Drittweltländern nehmen auf Singlebörsen Frauen über 40 ins Visier. Erboste Internet-Nutzer drehen den Spieß um und stellen dubiose Online-Kontakte durch deftige Fotos bloß
Susanne Stephan |
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Im Netz ist alles viel einfacher. Die Partnersuche, aber auch der Betrug.
Im Netz ist alles viel einfacher. Die Partnersuche, aber auch der Betrug.

 

MÜNCHEN Die Nachricht, die AZ-Leserin Myriam L. übers Internet erhielt, war elektrisierend. „Hallo, I’m interested in a serious relationship“ („Hallo, ich suche eine ernsthafte Beziehung“), schrieb „Edward“, wie Myriam L. ein Nutzer einer Singlebörse. Sein Foto wies ihn als einen eher unscheinbaren Mittvierziger aus: Seitenscheitel, Weste, Jeans. Eigentlich genau so einer, wie ihn sich Myriam L. als Partner vorstellte.

Freundlicher Mail-Kontakt. Er lebe in London, schrieb „Edward“, und suche per Internet seine Frau fürs Leben, gerne auch in Kontinentaleuropa, da er ohnehin viel geschäftlich unterwegs sei. Zwischen ihm und Myriam L. entspann sich über die folgenden Wochen eine angeregte Online-Konversation, bei der er unter anderem von seinen geschäftlichen Investitionen in Afrika berichtete. Nur ein persönlicherer Kontakt per Telefon oder Skype klappte nie – ständig schien die Technik dazwischenzufunken. Irgendwann erreichte die 44-Jährige ein elektronischer Hilferuf von „Edward“. Er sitze in der nigerianischen Hauptstadt Abuja fest, sei ausgeraubt worden, müsse jetzt auch noch damit rechnen, eine Nacht von korrupten Polizisten festgehalten zu werden – sofern sie ihm nicht auf die Schnelle Dollar nach Abuja schicken könne.

Die Verzweiflung ausgenutzt. Bei Myriam L. läuteten die Alarmglocken, höchstwahrscheinlich zu Recht. Henning Wiechers vom Online-Portal Singleboersen-Vergleich.de berichtet über bandenmäßigen Betrug über Singlebörsen. Im Visier der Gauner: Europäische Single-Frauen über 40 Jahren , die mehr oder minder verzweifelt auf der Suche nach einem neuen Liebes- und Lebenspartner sind. Die Nigeria-Connection: „Könige“, „Manager“, „Oppositionelle“.

Auch anderen Online-Nutzern sind die phantasievollen Emails mit kruden Angeboten vom schwarzen Kontinent bekannt: Angebliche Manager, verfolgte Oppositionelle oder vertriebene Mitglieder von Königsfamilien, die auf den Irrungen und Wirrungen ihres turbulenten Lebens viel Geld angesammelt haben, das sie jetzt sicher anlegen wollen. Wenn der Angschriebene nur eine kleine Anzahlung überweise, könne er als Verwalter eines Millionen-Vermögens ein sattes Einkommen erzielen – behaupten sie.

Unter Experten wird dies als „419-Betrug“ bezeichnet, da ein entsprechender nigerianischer Gesetzesparagraf den sogenannten „Vorschussbetrug“ unter Strafe stellt. Die Zahl der Menschen, die auf solche plumpen Mails hereinfallen, dürfte in den vergangenen Jahren nach zahlreichen Medienberichten über die Masche geringer geworden sein – deswegen tummeln sich die Betrüger jetzt verstärkt auf Singlebörsen.

Das Profilfoto zeigt einen anderen. „Zum Glück für die Nigeria-Connection ist die deutsche Durchschnittsfrau nicht allzu gut im Englischen“, berichtet Henning Wiechers. Deswegen falle den Nutzerinnen nicht auf, dass der angebliche Traum-Partner selbst Probleme mit der englischen Grammatik habe. Das Profilfoto zeige meist einen europäischen Durchschnittsmann. Vor Freude über den unerwarteten Kontakt würden die Frauen alle Vorsicht vergessen und früher oder später Geld überweisen, um ihrer Online-Bekanntschaft aus einer (inszenierten) Patsche zu helfen.

Wissenschaftliche Untersuchung. Auch Monica Whitty, Professor für zeitgenössische Medien an der Universität Leicester, hat sich des sogenannten „Romance Scams“ (Romantik-Betrug) angenommen. Sie schätzt, dass allein in Großbritannien die Zahl der Menschen, die auf irgendeine Weise mit betrügerischen Romantik-Offerten in Kontakt kamen, 200000 übersteigt. Ihren finanziellen Schaden schätzt sie auf 50000 bis 800000 Pfund (bis zu knapp eine Million Euro). Dazu komme der emotionale Schaden. Die Angeschriebenen hätten sich zum Teil über Wochen auf dem Weg in ein neues Glück gewähnt – und müssten jetzt einsehen, dass sie nicht nur so einsam sind wie zuvor, sondern auch noch schäbig ausgenutzt wurden.

Erst denken, dann flirten. Henning Wiechers rät Frauen, bei Online-Kontakten den gesunden Menschenverstand zu gebrauchen. „Wenn sich plötzlich erfolgreiche ausländische Geschäftsleute in mäßigem Englisch via Online-Dating bei Ihnen melden, dann fragen Sie sich bitte erstmal: Warum? Ist das wirklich der Traumprinz, der mich aus meinem Leben befreit? Was macht der ausgerechnet bei FriendScout24? Warum sucht der dort nach Frauen-Profilen aus Idar-Oberstein? Und warum quatscht der gerade mich an, wo mich die anderen Männer doch eher in Ruhe gelassen haben?“

Böse Rache der Geschädigten. Wer vorsichtig ist, fordert zügig Echtheitsbeweise ein – beispielsweise Telefonate, bei dernender Anrufer sich nicht mit Satzbausteinen aus dem Computer verständigen kann, oder ein persönliches Treffen. Ein probates Mittel, um die Identität eines Online-Kontaktes zu prüfen, ist die Bitte, ein neueres Foto zu schicken, auf dem der Mail-Gesprächspartner beispielsweise mit einer aktuellen Zeitung in der Hand zu sehen ist. Um solche Nachweise gebeten, lösen sich viele Online-Partner erfahrungsgemäß in Luft auf.

Dieses Vorgehen – die Bitte um ein wirklich aktuelles, auf persönlichen Wunsch aufgenommenes Foto – machen sich auch Betrugsopfer zunutze, die Rache nehmen wollen. Sie äußern absurde Foto-Wünsche, oft kombiniert mit dem Auftrag, Plakate mit deutschen Inschriften in die Kamera zu halten. Manche Angeschriebenen in Afrika kommen dem Wunsch nach – schließlich hoffen sie immer noch auf die Überweisung aus Deutschland und verstehen nicht, was Schmähworte wie „Vorschussbetrüger“ bedeuten. Unter anderem auf www.419eater.com werden solche Fotos gepostet – Trophäen von Online-Nutzern, die den Spieß umgedreht und Betrüger mit skurrilen Fotowünschen aufs Glatteis geführt haben.

Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, berichtet Wiechers von singleboersenvergleich.de – warum sollte eine geschädigte Frau nicht den Wunsch äußern: „Fotografieren Sie sich mit einem Fisch auf dem Kopf! Solche rabiaten Gegenangriffe sind im Internet allerdings umstritten. Schließlich, so gibt ein Online-Nutzer zu bedenken, handle es sich bei den Betrügern aus Schwarzafrika oft um Menschen, denen die materielle Not keine Möglichkeit lasse, ihren Lebensunterhalt auf seriösem Wege zu verdienen. sun

 

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