Lidl entschuldigt sich
MÜNCHEN - Lidl am Tag eins nach der Veröffentlichung der Schnüffel-Protokolle: Mit einem Brief an alle 48000 Beschäftigten entschuldigt sich der Discounter. Verdi rät weiter zu einer Klagen.
Der etwas übernächtigt wirkende Mann schaut die Videokamera an der Decke des Lidl-Marktes an und sagt: „Die Überwachungsmethoden hatten schon ihren Sinn.“ Er zuckt mit den Schultern – und lächelt.
Der Lächler leitet eine Münchner Lidlfiliale. Er weiß genau Bescheid. Er weiß, dass Lidl seine Mitarbeiter ausspioniert hat. Weiß, dass Detektive in manchen Lidlmärkten jedes private Telefonat der Angestellten und jeden Gang auf die Toilette heimlich protokolliert haben. Auch die Abendzeitung mit dem Titel „Stasi-Methoden bei Lidl“ liegt unübersehbar im Zeitungsregal seines Supermarkts. Die Vorwürfe gegen Lidl wiegen schwer, doch der Filialleiter lächelt sie einfach weg.
„Das sind ja nur Einzelfälle“, erklärt er. „Bei uns gibt’s solche Methoden sowieso nicht“, und „andere Unternehmen machen das genauso wie wir“. Auch die Angestellten geben sich unbeschwert. Während eine Verkäuferin mit schwarzem Zopf Dosen ins Regal sortiert, sagt sie: „Bei uns hat’s nie Überwachungen gegeben. Außerdem ist das doch cool, jetzt kommen wir alle ins Fernsehen.“
Konzern: „sehr betroffen“
Lidl am Tag eins nach der Veröffentlichung der Schnüffel-Protokolle: Die Berichte hätten den Konzern „sehr betroffen gemacht“, heißt es auf der Lidl-Internet-Seite. Aber trotz der mehreren hundert Seiten langen Aufzeichnungen könne keine Rede von systematischer Bespitzelung sein. Lidl schickt einen Brief an alle 48000 deutschen Beschäftigten. „Wenn Sie sich in Misskredit gebracht und persönlich verletzt fühlen, so bedauern wir dies außerordentlich und entschuldigen uns dafür bei Ihnen.“
Die Gewerkschaft Verdi will trotzdem nicht zur Tagesordnung übergehen: „Ich kann den betroffenen Lidl-Mitarbeitern raten, sich untereinander zu verabreden und gemeinsam zu Verdi zu kommen“, sagte Verdi-Vizechefin Margret Mönig-Raane zu „Stern.de“. „Möglicherweise könnte man dann Musterklagen gegen Lidl anstrengen.“
„Überwachungs-Rundumschlag“
Der Bundesverband Deutscher Detektive fürchtet um den Ruf seiner Branche. Ein „Überwachungs-Rundumschlag“, wie er offensichtlich in verschiedenen Lidl-Filialen stattgefunden habe, sei „unerträglich“, sagte Verbands-Geschäftsführer Hans Sturhan zur AZ. „Unsere Standesregeln verlangen, dass ein Auftraggeber einem Detektiv ein berechtigtes Interesse an der Überwachung nachweisen muss.“ Probleme mit Ladendiebstahl seien keinesfalls ein Rechtfertigungsgrund für eine lückenlose Kontrolle der Mitarbeiter.
Aber nur sieben Prozent der Branche sind Mitglied im Detektiv-Bundesverband. Die meisten anderen Firmen würden sich keinen freiwilligen Regeln unterwerfen, klagt Sturhan. Eine Lösung wären gesetzliche Regelungen. Doch die fehlten – zum Verdruss der seriösen Firmen. tkw/sun
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