Lebenslanges Leiden

Die Verjährungsfristen sind viel zu kurz: AZ-Chefreporter Matthias Maus über die Missbrauchsfälle an Schulen.

Kein Begriff scheint groß genug, um das Entsetzen über die Missbrauchsfälle zu beschreiben. Täglich neue Enthüllungen, die Gesellschaft blickt in Abgründe – nicht nur in der katholischen Kirche.

In einer Organisation, die mit einem Teil der menschlichen Existenz ein so verkrampftes Verhältnis hat wie die katholische Kirche mit der Sexualität, ist Missbrauch nicht verwunderlich. Wie soll ein Priester etwas respektieren, das man an sich selbst nicht wahrhaben und verstehen darf? Und doch ist der Zölibat nicht allein verantwortlich für die Abscheulichkeiten.

Offensichtlich besteht eine riesige Versuchung im Abhängigkeitsverhältnis, das Schüler und Lehrer umgibt. Und es erliegen dieser Versuchung nicht nur ehelose Priester, sondern auch weltliche Pädagogen, wie die unglaublichen Vorfälle an der Odenwaldschule zeigen.

Hinter Klostermauern und anderswo nutzen Erwachsene die Macht über Schwächere. Sie nehmen ihre Körper, zertrampeln ihre Seelen und geben ihnen dafür Scham und Schuldgefühle. Dass diese Menschen lebenslang leiden, ist längst bekannt. Und das muss dringend in die Gesetzgebung einfließen. Die Verjährungsfristen für sexuellen Missbrauch sind viel zu kurz.

Und Eltern müssen selbstbewusste Kinder erziehen. Kinder, die sich was zu sagen trauen, Kinder, die sich nicht schämen müssen. Denn eines sollte man nicht glauben: Dass die Fälle alle Geschichte sind. Dass sich Ettal und Odenwald, Regensburg oder Canisius-Kolleg nicht wiederholen können.