Kündigung! Was tun?

Ene, mene muh, und raus bist du. In der Krise hagelt’s Kündigungen. Wer einen blauben Brief bekommt, darf keine Fehler machen. Die Abendzeitung nennt die wichtigsten Fallstricke für Beschäftigte.
von  Abendzeitung
Die Supermarktkassiererin Barbara E.: Ihr wurde wegen des Verdachts gekündigt, Pfandbons im Wert von 1,30 Euro unberechtigt eingelöst zu haben.  Foto: dpa
Die Supermarktkassiererin Barbara E.: Ihr wurde wegen des Verdachts gekündigt, Pfandbons im Wert von 1,30 Euro unberechtigt eingelöst zu haben. Foto: dpa © abendzeitung

Ene, mene muh, und raus bist du. In der Krise hagelt’s Kündigungen. Wer einen blauben Brief bekommt, darf keine Fehler machen. Die Abendzeitung nennt die wichtigsten Fallstricke für Beschäftigte.

MÜNCHEN Aber nicht immer sind sie berechtigt – manchmal nutzen Chefs die Flaute als Vorwand, um Beschäftigte loszuwerden. Umso besser sollten Arbeitnehmer auf den Ernstfall vorbereitet sein. Die wichtigsten Regeln:

Sofort kündigen

Innerhalb dreier Wochen müssen Beschäftigte, die einen blauen Brief erhalten, Kündigungsschutz-Klage erheben. Wer die Frist verpasst, kann noch so sehr im Recht sein – die Kündigung ist wirksam. Oft kann der Mitarbeiter innerhalb dreier Wochen seine juristischen Chancen schwer einschätzen, weil ihm wichtige Informationen fehlen. „Dann muss der Beschäftigte vorsorglich Klage erheben“, sagt der Münchner Rechtsanwalt Rüdiger Helm.

Klagen kostet freilich. Vor dem Arbeitsgericht trägt jede Partei ihre Anwaltskosten selbst. Der Weilheimer Arbeitsrechtler Georg Rumke rechnet die Belastung für einen Beschäftigten, der 4000 Euro brutto im Monat verdient, durch: „Der Streitwert beträgt drei Monatsgehälter, also 12000 Euro. Wenn das Verfahren mit einem Gerichtsurteil endet, muss der Beschäftigte mit Anwaltskosten in Höhe von rund 1600 Euro rechnen. Bei einem Vergleich sind es rund 2200 Euro.“

Keine Abfindung akzeptieren

Ein beliebter Trick des Arbeitgebers: Der Beschäftigte wird zum Vier-Augen-Gespräch gebeten, bei dem ihm der Vorgesetzte und ein Mitarbeiter der Personalabteilung erwartet. Die Beiden drängen den Beschäftigten in die Enge, sagen, dass sich eine Kündigung in seinem Lebenslauf gar nicht gut machen würde und bieten ihm einen Aufhebungsvertrag plus Abfindung an, der allerdings sofort abgeschlossen werden müsse. Manchmal droht der Chef sogar mit einer Strafanzeige etwa wegen Unterschlagung. Trotzdem sollte der Mitarbeiter seine Unterschrift verweigern. Denn wer jetzt unterzeichnet, verzichtet auf alle Rechte. Besser: Auch mündlich nichts zusagen, darauf bestehen, erst mit dem Betriebsrat oder Anwalt zu sprechen. „Generell werden Abfindungen überbewertet“, sagt der Münchner Arbeitsrechtler Rüdiger Helm. Normalerweise wird pro Beschäftigungsjahr ein halbes Brutto-Monatsgehalt gezahlt – nicht besonders viel Geld, gemessen am Schaden, der durch den Verlust des Arbeitsplatzes entsteht.

Kooperativ bleiben

Wer sich zu Unrecht gekündigt glaubt, muss unbedingt zur Arbeit erscheinen. Denn wer gekränkt oder verunsichert zuhause bleibt, liefert den Vorwand für eine zweite Kündigung des Arbeitgebers, die sich auf die vermeintliche Arbeitsverweigerung bezieht – und wasserdicht ist.

Alles aufschreiben

Das ist besonders bei so genannten verhaltensbedingten Kündigungen wichtig, wenn der Arbeitgeber dem Beschäftigten etwa vorwirft, faul gewesen zu sein. „Der Arbeitnehmer sollte genau protokollieren, was ihm vorgeworfen wurde, welche Beweise er gegen die Vorwürfe hatte“, sagt Anwalt Helm. Der Grund: Bis es zu einer Verhandlung vor Gericht kommt, gehen leicht Monate ins Land – wer dann zugeben muss, dass ihn sein Gedächtnis im Stich lässt, wirkt wenig glaubwürdig.

Sauber bleiben

Ein Spezialfall sind so genannte Verdachtskündigungen. Selbst wenn beispielsweise der Diebstahl von Büromaterial nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden wird, kann der Arbeitgeber einen blauen Brief schreiben. Voraussetzung: Es muss Indizien gegen den Beschäftigten geben.

Besonders gerne wird im Lebensmittel-Einzelhandel wegen angeblicher oder tatsächlicher Langfingereien gekündigt. Schließlich stellen die Arbeitsgerichte an die Vertrauenswürdigkeit von Beschäftigten in Lebensmittel-Läden hohe Anforderungen. Arbeitsrechtler Rumke zitiert Beispielfälle: So habe eine Bäckerin nach Feierabend einen Bienenstich mit nach Hause genommen, der am nächsten Tag unverkäuflich gewesen wäre. Die fristlose Kündigung wurde in allen Instanzen einschließlich dem Bundesarbeitsgericht bestätigt. „Diebstahl ist Diebstahl“, sagt Rumke. „Es kommt nicht darauf an, wie hoch der Schaden beim Arbeitgeber ist.“ Konsequenz für die Beschäftigten: Sie müssen darauf achten, keinen noch so geringen Anhaltspunkt für einen Verdacht zu liefern.

Auf Formfehler hoffen

Zum Glück für die Beschäftigten machen Arbeitgeber bei Kündigungen jede Menge Fehler. „Sie beachten die Regeln der Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen nicht richtig oder hören – bei verhaltensbedingten Kündigungen – den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß an“, sagt Anwalt Rumke. Grund zur Hoffnung für die Beschäftigten: Oft behalten sie wegen der Formfehler doch ihren Job. sun

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