Kommentar: Der Frust der Bürger

Die Details im Fall Zumwinkel klingen so, als hätte sie sich der mittelmäßig begabte Autor eines Wirtschaftskrimis ausgedacht. Das Schlimme ist zudem, dass es einen nicht überrascht. Und die Folgen sind schwerwiegender als nur eine bisschen Bürgerfrust über "die Wirtschaft" oder "die Politik".
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AZ Chefredakteur Arno Makowsky ist neuerdings auch Jury-Mitglied bei der Wahl zur „Schönen Münchnerin“.
az AZ Chefredakteur Arno Makowsky ist neuerdings auch Jury-Mitglied bei der Wahl zur „Schönen Münchnerin“.

Die Details im Fall Zumwinkel klingen so, als hätte sie sich der mittelmäßig begabte Autor eines Wirtschaftskrimis ausgedacht. Das Schlimme ist zudem, dass es einen nicht überrascht. Und die Folgen sind schwerwiegender als nur eine bisschen Bürgerfrust über "die Wirtschaft" oder "die Politik".

Die Steuerfahndung in der Villa eines mächtigen Konzernführers, der Verdacht auf Steuerhinterziehung in Millionendimensionen, ein vorbereiteter Haftbefehl ausgerechnet für den dienstältesten Chef eines Dax-Unternehmens: Das Schlimme an diesem Fall ist ja nicht nur, dass sich hier ein raffgieriger Manager womöglich auf illegalem Weg noch um weitere Millionen bereichert hat. Das wirklich Schlimme ist: Es überrascht einen nicht.

Die Details klingen so, als hätte sie sich der mittelmäßig begabte Autor eines Wirtschaftskrimis ausgedacht: Ein schwerreicher Konzernboss schleust sein Vermögen mit Hilfe eines Steuersparmodells am Finanzamt vorbei – mit der Option, das Geld demnächst auf die Cayman-Islands zu transferieren. Das alles bestätigt scheinbar die primitivsten Vorurteile gegen eine Wirtschaftselite, die in ihrer Gier den Hals nicht voll kriegt.

Woher kommt dieser Reflex, warum traut man den Galionsfiguren des Wirtschaftsbetriebs selbst kriminelle Machenschaften ohne weiteres zu? Wirkliche Belege gibt es dafür keine. Die Unternehmensführer sind zwar nicht beliebt, aber die allermeisten von ihnen arbeiten hart für ihr Geld, ihr Erfolg gehorcht den Gesetzen des Marktes: Sie erwirtschaften viel für ihre Firma, also bezahlt diese ihnen ein hohes Gehalt. Das ist nicht verboten.

Vielleicht muss man einen weiteren Fall heranziehen, der im Moment die Menschen verärgert, ja an dem undurchschaubaren Banken- und Wirtschaftssystem verzweifeln lässt – den der Bayerischen Landesbank. Ein vermeintlich seriöses Institut, das plötzlich mit einem Milliardendefizit dasteht. Hoppla! Ist nicht so schlimm, sagt der Finanzminister, man hat sich halt ein bisschen verspekuliert, das wird schon wieder.

Dabei handelt es sich bei der Landesbank um ein halbstaatliches Institut; ihre Einlagen gehören der Öffentlichkeit, ihre Verluste auch. Das ist es, was die Menschen wütend macht, weil sie nur hilflos zusehen können.

Von der Bayerischen Landesbank über die West LB bis zum Postchef Zumwinkel: Potentiell unfähige oder halbseidene Manager jonglieren scheinbar unkontrolliert mit dem Geld anderer Leute – so kommt es bei den Bürgern an. Hier ein paar Millionen, dort eine Milliarde – es ist ein perverses Roulettespiel, das von Leuten gespielt wird, die sich um die Konsequenzen wenig Gedanken machen müssen, weil sie dabei ihr eigenes Vermögen nicht in Gefahr bringen.

Die Folgen sind schwerwiegender als nur ein bisschen Bürgerfrust über „die Wirtschaft“ oder „die Politik“. Wer der eigenen Führungselite nicht mehr traut, misstraut dem ganzen System. Und wen es nicht überrascht, dass der Postchef ein Krimineller sein könnte – der geht nicht zur nächsten Wahl.

Arno Makowsky

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