Kick around the clock

Audio von Carbonatix
Natürlich geht’s nur ums Geld, für Nostalgie ist kein Platz mehr. Gunnar Jans über die neuen Anstoßzeiten im Fußball.
Man muss nicht gleich Kulturpessimist sein, um zu wissen, dass früher alles einfacher war, vielleicht sogar besser. Man kann auch nur Fußball-Fan sein, um dies zu bemerken. Früher war die Wahrheit aufm Platz. Samstags um halb vier. Alle Neune, volle Bundesliga, kompletter Spieltag, erst im Radio (beim Autowaschen), dann um sechs in der Sportschau. Und heute? Wäscht niemand mehr sein Auto. Das ist freilich das einzig Gute, das die Zerstückelung zu Salami-Spieltagen mit sich bringt. Wer Münchner ist und Fußball-Fan, muss sich bald auf neun verschiedene Anstoßzeiten einstellen.
Allein dafür bräuchte man einen elektronischen Terminkalender, in dem auch feste Zeiten für Familientherapie vorgesehen sein sollten. Samstagmittags Sechzig schauen, samstagabends wegen Bayern verplant sein, Kick around the clock statt Ausflügen und Ausgehen, das kommt prima daheim. Sei’s drum! Natürlich geht’s nur ums Geld, für Nostalgie ist kein Platz mehr. Fast überall in Europa sind die Einnahmen durch Fernsehgelder höher, folglich spielen nur wenige Superstars in der Bundesliga.
Wer sich an Ribérys Kunststücken und Tonis Ohrschraubern berauschen will, muss in Kauf nehmen, dass sich der Fußball fürs Fernsehen prostituiert (und sich von der Sportschau abnabelt). Spielraum ist vorhanden: In nicht-katholischen Gegenden könnte das Gekicke auch mit dem Kirchgang kollidieren, und wo’s besonders hip zugeht wie in Hoffenheim, wird das Topspiel zur Mitternachtssuppe kredenzt. Und wem das alles nicht passt, der kann ja abschalten und selber kicken gehen. Wie früher.
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