Kein Schlussstrich

"Das ungute Gefühl nach dem Prozess gegen Josef F.": Stephan Kabosch, AZ-Redakteur und Österreicher, über den Prozess gegen Josef F.
Es war der Versuch, das Unfassbare aufzuarbeiten, das grenzenlose Unrecht in einen Rahmen zu gießen: ein Schuldspruch in allen Punkten, lebenslange Haft, Anstalt: Josef F. wird sein restliches Leben hinter Gittern verbringen, so wie er seine halbe Familie 24 Jahre lang weggesperrt hat. Jedes andere Urteil wäre unerklärlich, unerträglich gewesen.
Mehr gibt das Gesetz nicht her. Und doch bleibt auch ein ungutes Gefühl nach dem Prozess um das Jahrhundertverbrechen von Amstetten. Dreieinhalb Prozesstage für die Aufarbeitung einer über Jahrzehnte fortgesetzten Untat, ein paar Stunden nur für die Erörterung unvorstellbarer Verbrechen. Dieser kurze Prozess ist formaljuristisch in Ordnung. Die Dauer eines Verfahrens bemisst sich eben nicht nach der Schwere der Vorwürfe, sondern nach der Komplexität, der Beweislage, möglichen Widersprüchen. Aber die Tatsache etwa, dass wichtige Sachverständige nicht gehört wurden, trägt zum Eindruck bei, dass das Gericht den Prozess heruntergespult hat.
Genau das kann in Österreich missverstanden werden als Signal für einen Schlussstrich – zumal in diesem kleinen Land, das seine dunklen Kapitel gerne vergisst, das schnell wegschaut, auf der anderen Seite aber so sehr darauf blickt, wie es im Ausland ankommt. Kaum eine Affäre an sich könnte hier größeres Unheil anrichten als die Reaktion darauf.
Was also ist das Signal aus dem Prozess gegen F.? Hoffentlich dieses: Gesellschaft und Behörden sollten künftig genauer hinsehen, was in der Nachbarschaft passiert. In Österreich und anderswo.