Kein Kindergeburtstag
20 Jahre haben alle zugesehen und nicht reagiert: Angela Böhm, AZ-Landtagskorrespondentin, über den Bundeswehr-Skandal
Karl Theodor zu Guttenberg ist stolz, ein Gebirgsjäger zu sein. Das sind nämlich die ganz harten Jungs in Mittenwald. Die Elite der Bundeswehr. Mit großer Zufriedenheit habe er dort seinen Wehrdienst abgeleistet, erzählt der Verteidigungsminister gerne. „Ich habe dort Kameradschaft kennen gelernt, wie ich sie in dieser Form noch nicht kannte.“
Nun hat Guttenberg nicht in der Einheit gedient, die beschuldigt wird, mit entwürdigenden Mutproben und Aufnahmeritualen Soldaten gezwungen zu haben, sich vor ihren Kameraden zu erniedrigen. Dochmuss man sich fragen, welche Art von Kameradschaft bei der Truppe noch immer gepflegt wird.
Alkoholexzesse, Mutproben und Aufnahmerituale. Für manche mag das vielleicht eine Art Kindergeburtstag für große Jungs sein. Bei dem natürlich jeder selber entscheiden könne, ob er mitmache oder nicht. Von wegen! Die Bundeswehr ist bitterer Ernst. Und wer sich in seiner Gruppe quer legt, wird eine bittere Zeit erleben.
Dabei ist Kameradschaft, wenn man den Begriff überhaupt positiv besetzen will, etwas anderes: Sie bedeutet, die Würde des anderen zu achten, ihm in der Not beizustehen. UndMissstände auch anzuprangern, statt aus falsch verstandener Solidarität zu schweigen. Die Vorgesetzten in Mittenwald müssen jetzt zugeben, dass es bereits seit 20 Jahren „gewisse Aufnahmerituale“ gibt. Seit 20 Jahren ist inMittenwald keiner dagegen eingeschritten. Aber am Hindukusch werden von der Bundeswehr die Menschenrechte verteidigt.
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