Kein gütiger Riese
Der nächste US-Präsident wird den Deutschen Ärger machen. Matthias Maus über die astronomischen Erwartungen an Barack Obama.
Es geht Schlag auf Schlag in diesem Sommer. Nach EM, Love Parade oder Münchner Stadtfest steht dem Feier-fixierten Volk der Deutschen das nächste Großereignis ins Haus. Am Donnerstag kommt Obama. Nicht in London, nicht in Paris, in Berlin will der Kandidat eine Grundsatzrede zur Außenpolitik halten. Ob der Ehre liegt ihm die halbe Republik zu Füßen. Zeit, kurz aufzustehen und genauer hinzuschauen.
Barack Obama wird, falls er gewählt wird, sicher anders Politik machen als George Bush. Doch sollte sich niemand täuschen: Die USA waren nie nur ein gütiger Riese, und das werden sie auch unter einer Präsidentschaft des jugendlichen Mannes aus Illinois nicht. Das Recht, die Freiheit nach US-Vorstellungen in alle Welt zu exportieren, wird auch unter Obama Staatsräson der Supermacht bleiben.
Nur in der Wahl seiner Einsatzorte wird und muss der nächste Präsident klüger sein als Bush – und damit beginnen für Deutschland die Probleme. Obama oder McCain werden sich vom Irak weg und hin nach Afghanistan orientieren, und sie werden beide stärkeren Einsatz der Deutschen fordern. Kann die nächste Bundesregierung die Entsendung von 8000 statt jetzt 3000 Bundeswehrsoldaten an den Hindukusch politisch vertreten?
Für den nächsten Präsidenten der USA ist das die kleinste Sorge. Und dass sich Kredit-, Energie- oder Wirtschaftskrise mit Charme und Charisma lösen ließen, glaubt auch der enthusiastischste Obama-Fan nicht wirklich.
Der Autor ist Chefreporter der Abendzeitung