Jetzt Portfolio prüfen! Warum es gerade heuer so wichtig ist
Zum Ende des Jahres haben viele Zeit, um das nachzudenken, was übers Jahr liegen geblieben ist: Geldfragen gehören oft zu den Dingen, die man gerne ein bisschen aufschiebt. Dabei war dieses Jahr eines, in dem sicher mancher überlegt hat, ob es bei all den Zeitenwenden auch eine in seinem eigenen Portfolio geben sollte.
Taugen ein Jahr nach Amtsantritt des US-Präsidenten und Zoll-Berserkers Donald Trump etwa Investitionen in US-Firmen noch? "Ein pauschaler Rückzug aus dem US-Markt wäre auch nach einem Jahr unter der neuen Administration der falsche Weg, doch die Strategie muss sich zwingend vom Gießkannenprinzip verabschieden“, rät Börsenexperte Ulrich Müller aus Halstenbek bei Hamburg.
"Ein klares Warnsignal"
Und tatsächlich: "Wir sehen aktuell, dass die großen Indizes stagnieren, was ein klares Warnsignal ist. Die Zeiten, in denen man blind einen US-Index kaufte und automatisch Rendite einfuhr, sind vorerst vorbei“, sagt Müller der AZ.
"Angesichts der ambitionierten Bewertungen an der Wall Street ist jetzt ausgewähltes ,Stockpicking’ das Gebot der Stunde.“ Zwar blieben US-Firmen weiter relevant, der Fokus verschiebe sich aber.

"Während Tech-Werte sich zwar noch auf ihrem aktuellen Niveau halten, gibt es gute Argumente für defensivere Investments. Wir sehen zwar, dass KI-Giganten wie Nvidia weiterhin Gewinne untermauern und reale Erträge liefern“, schildert Müller seine Beobachtungen, aber: "Negativ ist jedoch, dass die Investitionen in KI-Infrastruktur langsam dem Spiel ,Reise nach Jerusalem’ ähneln, da der Grenznutzen dieser Milliardensummen sinkt.“
"Häufig kommt es zu kurzfristigen Ausschlägen"
Etwas gelassener sieht Tobias Vetter, Finanzberater aus Mannheim und Geschäftsführer der Vetter Group, die Lage. "Zwar sorgen politische Entscheidungen regelmäßig für Unruhe an den Märkten, doch ihr Einfluss hält meist nicht lange an. Häufig kommt es zu kurzfristigen Ausschlägen, die sich schnell wieder glätten.“
Seiner Ansicht nach sind es andere Faktoren, die langfristig stärker zählen: "Stabile Geschäftsmodelle, Innovationskraft und eine solide wirtschaftliche Grundlage. Diese Grundlagen wiegen schwerer als politische Schlagzeilen, die oft nur vorübergehend wirken“, sagt der Experte der AZ.
"Wettlauf um die Versorgung mit Rohstoffen“
"Die USA bleiben trotz wechselnder Präsidenten ein dynamischer Wirtschaftsraum mit vielen leistungsfähigen Unternehmen. Wer breit streut und langfristig investiert, muss seine Strategie daher nicht bei jedem politischen Wechsel infrage stellen.“

Zwei Großtrends kristallisieren sich für Ulrich Müller in der Finanzwelt im nächsten Jahr heraus: Gesundheit und kritische Rohstoffe nennt er der AZ. Seine Begründung: "Unabhängig von Konjunkturzyklen wird es beispielsweise immer mehr Diabetiker geben.“
Somit profitierten Unternehmen im Gesundheitswesen "von dieser unumkehrbaren Entwicklung“, hält Müller fest, "und bieten Chancen, die aktuell attraktiver erscheinen als viele überteuerte Tech-Werte“.
Und wie sieht es mit Rohstoffen aus? "Wir erleben einen weltweiten Wettlauf um die Versorgung mit Rohstoffen. Dieser Wettlauf wird 2026 auch an den Märkten gespielt. Unternehmen, die kritische Rohstoffe fördern und auch ohne staatliche Hilfe vorankommen, sind nach detaillierter Analyse extrem aussichtsreich.“

Nicht nur äußeren Impulsen folgen
Und auch in dem Bereich, der sogar das Wort des Jahres – KI-Ära – stellt, veränderten sich die Trends, stellt Müller fest: Sie entwickelten sich in Richtung von "Geschäftsmodellen, die ihre Effizienz dank KI steigern. Das müssen keine Tech-Titel sein, auch mutige Mittelständler können von der zweiten KI-Welle profitieren“.
Was laut Tobias Vetter wichtig ist: "Prüfen, ob ein Trend wirklich zur eigenen Anlagestrategie passt.“ Man solle maßgeschneidert investieren: "Eine sinnvolle Orientierung bieten die individuellen Ziele: Wie viel Risiko möchte man tragen? Welche zeitlichen Horizonte stehen im Vordergrund? Wie ist das Portfolio bereits aufgebaut? Erst wenn diese Fragen beantwortet sind, lässt sich einschätzen, ob ein Trend lediglich kurzfristigen Lärm erzeugt oder tatsächlich einen Mehrwert schafft.“ Wer nur äußeren Impulsen folge, treffe möglicherweise später nur schwer zu korrigierende Entscheidungen.
Wie wichtig ist nun, die staade Zeit für eine Überprüfung der eigenen Investments zu nutzen? Immens, sagt Ulrich Müller. "Das Jahresende ist traditionell ein psychologisch wichtiger Meilenstein, aber in diesem Dezember ist die Überprüfung des Portfolios zwingend.“

Wo kann man Erfolg haben? "Entscheidend sind die Bewertungen“, erläutert Müller. "Bei teuren Aktien können Anleger gerade jetzt Gewinne mitnehmen. Viele Anleger spekulieren auf eine Jahresend-Rally, doch es ist nicht garantiert, dass diese in vollem Umfang eintritt – auch wenn der Markt im Dezember noch leicht steigen könnte.“
Auch Tobias Vetter sieht im Jahresende einen nahe liegenden Zeitpunkt zum Nachjustieren beim Portfolio. "Allerdings eignet sich grundsätzlich jeder Moment im Jahr, um die eigene Anlagestruktur zu überprüfen. Wichtig ist vor allem, das nicht zu vernachlässigen, denn im Laufe der Zeit entwickeln sich die einzelnen Bausteine eines Portfolios sehr unterschiedlich.“
Regelmäßiges Rebalancing ist wichtig
Das könne zu einer starken Veränderung der Risikoverteilung führen. "Ein wachsender Anteil von Aktien oder Branchen mit höherer Volatilität erhöht das Risiko, ohne dass man es bewusst entschieden hätte. Durch regelmäßiges Rebalancing lässt sich diese Verschiebung korrigieren.“
Von Unsicherheit in der Welt und vielleicht auch bei den eigenen Überlegungen sollte sich niemand vom Investieren abhalten lassen, rät Ulrich Müller zudem. "Blinder Aktionismus wäre aber ebenfalls fatal. Wer jetzt über neue Anlagen nachdenkt, muss selektiv vorgehen. Wir halten eine Cashquote zwischen 25 und 27 Prozent für angemessen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass man zu rund 75 Prozent investiert bleibt – aber eben bei den richtigen Werten.
"Die Vorstellung wirkt attraktiv"
Tobias Vetter hat Verständnis für ein Zögern in der gegenwärtigen Lage: "Die Vorstellung, auf den perfekten Einstiegszeitpunkt zu warten, wirkt attraktiv.“ Das aber sei falsch: "Märkte bewegen sich ununterbrochen, und niemand kann vorhersagen, wann ein idealer Moment kommen wird. Selbst Fachleuten gelingt es selten, den Tiefpunkt eines Marktes präzise zu treffen. Strategien, die auf konsequentes Timing setzen, scheitern deshalb meist an den Schwankungen, die sie ausnutzen wollen.“

Vetters Fazit: "Langfristig denkende Anleger profitieren deutlich häufiger von klaren Strukturen und einem beständigen Vorgehen.“ Müllers Tipp: "Anleger sollten einen Fokus auf einzelne Unternehmen legen, die gerade jetzt profitieren. Gefragt nach Branchen halte ich Titel aus den Bereichen Gesundheitswesen und Rohstoffe aufgrund ihres Chance-Risiko-Profils für attraktiv.“

