Jetzt kommt der Osten

Von 1. Mai an dürfen die Bürger aus acht EU-Staaten wie Polen oder Tschechien ohne jede Einschränkung bei uns arbeiten. Die AZ erklärt Hintergründe und mögliche Folgen
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Go West: Ein Schild mit der Aufschrift "Landesgrenze" steht in Waidhaus (Oberpfalz) an der Grenze zu Tschechien
dpa Go West: Ein Schild mit der Aufschrift "Landesgrenze" steht in Waidhaus (Oberpfalz) an der Grenze zu Tschechien

Von 1. Mai an dürfen die Bürger aus acht EU-Staaten wie Polen oder Tschechien ohne jede Einschränkung bei uns arbeiten. Die AZ erklärt Hintergründe und mögliche Folgen.

München - Am 1. Mai wird die letzte Schranke fallen: Ab dann dürfen die Bürger der EU-Staaten in Osteuropa ohne irgendwelche Einschränkungen zum Arbeiten nach Deutschland kommen. Und das werden einige sein – mit Folgen für uns: Gewerkschaften fürchten neue Billigkonkurrenz für die heimischen Arbeitskräfte, Wirtschaftsexperten freuen sich über die neuen Steuerzahler und die Möglichkeit, dem Fachkräftemangel zu begegnen. Die AZ stellt die komplexe Lage vor.

Wie viele werden kommen?
Die acht Staaten, von Estland ganz im Norden über Polen und Tschechien bis nach Slowenien im Süden, haben zusammen 74 Millionen Einwohner. Und Ifo-Chef Hans-Werner Sinn erwartet, dass Millionen von ihnen kommen; nicht in einem Jahr, aber in einer Dekade. England, Irland, Spanien und andere haben den Arbeits-Zuzug schon ab 2004 erlaubt – und der Ansturm war weit größer als gedacht. Das kann einerseits heißen: Diejenigen Osteuropäer, die woanders ihr Glück suchen wollten, sind bereits dort. Und andererseits: Damals haben Irland und Spanien geboomt, jetzt stecken sie tief in der Krise – also könnten die Arbeitsmigranten sich wieder eine neue Heimat suchen.

Wer wird kommen? Der Osten hat viele Gesichter: Boomstädte wie Breslau oder Budapest brauchen ihre Spezialisten selber; in Slowenien ist der Mindestlohn für Friseure mit 4,32 Euro höher als in Ostdeutschland. Für Niedrigverdiener in der polnischen oder baltischen Provinz ist dagegen schon Hartz IV das Doppelte des eigenen Verdienstes. Und so vielfältig sind auch die Menschen, die kommen wollen – der „stern” stellt jetzt einige von ihnen vor: einen Schweißer aus Tschechien, für dessen Arbeit im wenige Kilometer entfernten Bayern das Dreifache gezahlt wird – das Doppelte reicht ihm auch. Die Krankenschwester aus Litauen, daheim arbeitslos, in Deutschland händeringend gesucht. Die junge Biochemikerin aus Prag, die zu einer deutschen Pharmafirma will – als akzeptable Zwischenetappe auf dem Weg nach Amerika. Die Qualifikation der jungen Osteuropäer ist der der deutschen längst vergleichbar.

Was heißt das für unseren Arbeitsmarkt? Es gibt nur vage Prognosen – und zwar höchst unterschiedliche, weil man eben nicht weiß, wie viele und welche Arbeitskräfte kommen. 76 Prozent der Deutschen haben Angst vor der neuen Konkurrenz, so eine Umfrage. Die Gewerkschaften äußern täglich ihre Sorge und fordern Mindestlöhne für weitere Branchen, um Dumping zu verhindern. Wenigstens in der Zeitarbeit gilt ab 1. Mai (eben deswegen) ein Mindestlohn von 7,79 Euro. Viele Zeitarbeitsfirmen werben derzeit in Osteuropa en gros neue Mitarbeiter an, für alle Branchen. Wirtschaftsforscher wie Hans-Werner Sinn dagegen weisen auch immer wieder auf die Vorteile hin: „Es werden viele kommen, und das ist gut so. Das verstärkt den Boom, das verstärkt die Steuerkraft.” Das sei endlich „die richtige Zuwanderung: Menschen, die arbeiten wollen”. Bisher hätten aus Osteuropa nur diejenigen kommen dürfen, die eben nicht arbeiten wollen. Diese Zuwanderung werde zumindest einen Teil des Fachkräftemangels decken – und nicht einmal dafür reichen, so Bayerns Arbeitsministerin Christine Haderthauer. Sie warnt aber auch: „Die Schnittmenge zwischen Angebot und Nachfrage ist gering.” Die dringend benötigten Hochqualifizierten „stehen nicht gerade Schlange an Deutschlands Grenzen”. 

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