Groteske Spielchen
Bitte, liebe Politiker, sagt uns doch einfach die Wahrheit - Die AZ-Redakteurin Anja Timmermann über den Steuersenkungswahlkampf der Union
Liebe Politiker, dies ist ein dringender und leicht verzweifelter Appell: Bitte seid ehrlich. Bitte verschont uns mit wahnwitzigen Verheißungen. Bitte haltet uns nicht für so dumm, dass wir dankbar glauben, dass in Zeiten solcher Krisen jede Menge Geld für Geschenke da ist. Bitte sagt einfach, was ihr realistischerweise vorhabt, wo ihr Prioritäten setzen wollt, was geht und was nicht. Dann können wir Wähler aussuchen, was uns davon überzeugt.
Was dagegen derzeit abläuft, ist nur noch grotesk: Am Tag, als so dramatische Steuerausfälle verkündet werden, wie sie die Bundesrepublik noch nie verkraften musste, stellt sich der Berliner Statthalter der CSU hin und sagt, dass außer der Einkommenssteuer auch noch die Mehrwert-, Unternehmens- und Erbschaftsteuer gesenkt werden sollen. Wenn es nicht mehrere Quellen unabhängig voneinander bestätigt hätten, hätten wir’s fast nicht geglaubt.
Natürlich sind Steuersenkungen generell beliebt. Darauf zielt ja auch das Kalkül der CSU ab: kann man da mal fordern. Die anderen sind selbst schuld, wenn sie zu ehrlich dafür sind. Und wenn die tollen Pläne nach der Wahl natürlich nicht kommen, weil das Geld nicht da ist, kann man immer noch bedauernd sagen: Also, wir hätten euch ja was Gutes gewollt. CDU-Chefin Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich – nach ihrem Trauma von 2005 – panisch angeschlossen, die berechtigte Kritik der eigenen Fachleute mühsam niederdrückend. Dabei weiß sie sehr gut, dass es aberwitzig ist. Glaubwürdigkeit wär’ eine prima Alternative.
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