Gold für den Vielfahrer
MÜNCHEN/DINGOLFING Das Wochenende hat sich gut angelassen für Odo Stüttgen. Am Donnerstagabend ein kurzer Aufenthalt in der 1. Klasse der DB-Lounge in München. Am Freitag hielt er einen Lehrgang in Dingolfing, dann ging’s per Regionalexpress und ICE nach Franken zu einer kurzen Stadtbesichtigung. Bis auf den Regionalzug war alles kostenlos, der Rotwein in der Lounge inklusive.
Stüttgen ist mit der Bahncard Gold unterwegs, wie zurzeit tausende andere Menschen. Normalerweise hat der 52-Jährige nichts für Wintersport übrig – jetzt ist vorübergehend sein Interesse erwacht: Sobald ein deutscher Sportler in Sotschi Gold holt, ist am Folgetag für Besitzer der Bahncard Gold die Fahrt im IC, Eurocity oder ICE frei.
Mindestens zehn Goldmedaillen haben sich die Athleten vorgenommen. Nächste Woche dürfte also noch die eine oder andere Freifahrt drin sein. Zur Sicherheit hat der Logistik-Experte ein paar Tage für die Arbeit von zu Hause eingeplant. Steigt ein deutscher Olympionike aufs Siegertreppchen, will Stüttgen am nächsten Tag verreisen – „Vielleicht auch mal nach Hamburg, auch wenn’s grenzwertig ist, sechs Stunden hin und sechs Stunden zurück zu fahren, für einen Aufenthalt von fünf Stunden.“ Immerhin kann er die Fahrt im Zug für die Arbeit nutzen.
50 Euro hat Stüttgen für seine Bahncard Gold gezahlt. Für 25 Euro hätte er die Basisversion bekommen, doch das Vergnügen, in der ersten Klasse zu fahren, war ihm der Aufpreis von 25 Euro wert. „Ich bin fast zwei Meter groß, da ist man für die Beinfreiheit dankbar.“ Auch die kostenlosen Zeitungen und den Imbiss in der First-Class-Lounge weiß er zu schätzen. „Croissants zum Frühstück, mittags auch mal eine warme Suppe.“ Stüttgen genießt die Sonderbehandlung, wenn auch, wie er berichtet, zurzeit die vornehme Exklusivität der ersten Klasse durch Scharen von Bahncard-Gold-Nutzern etwas gestört wird.
Bleibt für ihn zu hoffen, dass die deutschen Sportler ihre Goldmedaillen auf verschiedene Wochentage verteilen. Zwei Goldmedaillen an einem Tag, das wäre wirklich eine Verschwendung.
105 000 Kunden hoffen auf die nächste Medaille
SOTSCHI Sieben Medaillen bisher, und es dürften mehr werden. Selbst Menschen, die sich nie für Wintersport interessierten, freuen sich über den Medaillenregen. 105000 Mal wurde die Bahncard Gold verkauft, deutlich mehr als bei anderen Probeangeboten.
Für die Bahn ist die Aktion ein voller Erfolg – auch wenn sie auf die Einnahmen für die Tickets verzichten muss. Ein wenig vom Glanz der Olympischen Winterspiele strahlt nach jedem Medaillengewinn auf den Konzern ab. Mehr Menschen als sonst sprechen über die Bahn, und sie freuen sich für die Bahncard-Gold-Besitzer, die erfolgreich auf die deutschen Athleten gewettet haben. Bahnfahren – ein harmloser, sportlicher, Spaß, mit dem sich Geld sparen lässt. Keine andere Marketing-Kampagne hätte diese Werbebotschaft besser und glaubwürdiger vermitteln können.
Und die Kosten? In welcher Höhe der Bahn durch den Gold-Regen Einnahmen entgehen, kann der Konzern nicht beziffern. Dazu bräuchte das Unternehmen eine Statistik über die Anzahl der Goldcard-Fahrer – aber die glücklichen Kunden müssen bei der Kontrolle nur ihre Karte vorzeigen, nirgendwo ein Ticket lösen. Und selbst wenn die Zahl der Fahrer bekannt wäre, wäre nicht klar, ob sie eine sowieso geplante Reise antreten und sich das Geld fürs Ticket sparen, oder ob sie außerplanmäßig eine Bahnreise antreten, um den Medaillensegen auf diese Art zu genießen – dann wären der Bahn keine Mehrausgaben entstanden, denn ihre Züge rollen ja so oder so. Die Gold Bahncard ist vier Monate gültig.
Wichtig: Sie verlängert sich um ein Jahr, wenn der Kunde sie nicht kündigt. Die Kündigung muss mindestens sechs Wochen vor Ablauf der Karte schriftlich eingereicht werden. Wer keine Verlängerung wünsche, solle schon jetzt die Karte kündigen, raten Verbraucherschützer. Im Falle einer Verlängerung kostet die Bahncard 25 für ein Jahr ohne Ermäßigung 62 Euro für die zweite und 125 Euro für die erste Klasse.
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