Getrennt kassieren
Georg Thanscheidt, stellvertretender Chefredakteur der AZ, über den MVG-Streik. Ein Streik auf dem Rücken der Fahrgäste und der Kollegen
Einigkeit – das war einst das Zauberwort der Arbeiterbewegung. „United we stand, divided we fall“ – sinngemäß: „Vereint halten wir stand, getrennt gehen wir unter“ – war auch der Leitspruch angloamerikanischer Gewerkschaften. Ein Motto, das mittlerweile nicht mehr gilt. Nun heißt es: Gemeinsam protestieren, getrennt abkassieren.
Auch der bald beginnende Arbeitskampf im öffentlichen Nahverkehr in Bayern wurde nach diesem Leitmotiv organisiert: Gemeinsam mit Verdi traten die Lokführer in der dbb-Tarifunion zu den Verhandlungen an. Verdi einigte sich mit den Arbeitgebern auf eine sofortige Lohnerhöhung von 1,6 Prozent und 1,9 Prozent in einem halben Jahr, plus 240 Euro Einmalzahlung. Das ist der dbb nicht genug. Und ihre Mitglieder sitzen nun mal in den Schlüsselpositionen – sprich am Steuer von U-Bahn, Bus und Tram.
Ähnlich wie Fluglotsen, Piloten und neuerdings sogar Hausärzte nutzen sie ihre Schlüsselrolle aus, um höhere Bezahlungen durchzusetzen. Sie haben ein Recht zu streiken und bei Bruttoverdiensten von 2900 Euro in München auch – anders als Piloten, Fluglotsen und Hausärzte – einen Grund dazu. Nur: Sie tun dies erneut auf dem Rücken der Fahrgäste – diese müssen das letztendlich erdulden und später zahlen. Und auch die Kollegen der selbsternannten Tram-Lokführer zahlen die Zeche dafür – ihre Durchsetzungskraft bei künftigen Tarifverhandlungen wird durch solche Alleingänge geschwächt.
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