Gefühl statt Bilanz
Selten kam dieser oft als arrogant verschriene Klub so sympathisch rüber, dass sich selbst Bayern-Feinde schwertun mit ihrer Abneigung. Gunnar Jans, stellvertretender AZ-Chefredakteur, über den DFB-Pokalsieger FC Bayern.
Ein Pokalsieg, was ist das schon: Routine, ein weiterer Staubfänger für die Vitrine, eine lästige Etappe auf dem Weg zu wirklich großen Titeln? Solche Mitnahme-Mentalität wird dem FC Bayern ja gerne unterstellt; mit diesem, dem 14. Pokalsieg aber verhält es sich anders: Es ist der erste Coup nach dem Crash von 2007, die Ouvertüre zum Triple, das hätte eine historische Dimension.
Vor allem aber ist ein Gefühl entstanden, das mehr wert ist als Bilanzbuchhalter mit ihren Erfolgsstatistiken ausweisen können: das Gefühl, dass hier keineswegs nur mit Millioneninvestitionen am Reißbrett ein Neuaufbau geschaffen wurde, sondern sich eine großartige Mannschaft gefunden hat – die sich nicht allein auf den Zauberer Ribéry und die Torfabrik Toni reduzieren lässt.
Selbst Kapitän Kahn, dessen Verbissenheit einem stets suspekt sein konnte, wirkt auf seine alten Tage ungemein souverän, und dem scheidenden Trainer Hitzfeld gönnen auch Rivalen am Ende alles. Selten kam dieser oft als arrogant verschriene Klub so sympathisch rüber, dass sich selbst Bayern-Feinde schwertun mit ihrer Abneigung.
Wie sehr es um die Bayern geschehen ist, zeigt Ottmar Hitzfelds Gelöstheit, als ausgerechnet er, dieser Disziplinfanatiker, dazu aufforderte, „jetzt mal die Sau rauszulassen“. Und wer nun lamentieren mag über die Wertigkeit des Uefa-Cups, die künftigen Radikal-Reformen oder den Druck in der nächsten Champions-League-Saison, dem sei mit Hitzfeld empfohlen, den Moment zu genießen.
Gunnar Jans
Der Autor ist stellvertretender Chefredakteur der Abendzeitung
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