Fußball als Chance
MÜNCHEN - Gibt es Wichtigeres als elf Jungs, die Fußball spielen? Nein! - Der Vize-Chefredakteur der AZ über, Georg Thanscheidt, über die Versöhnung von Fans und Firma.
Es kann der Friedlichste nicht in Ruhe Fußball schauen, wenn es dem Chef nicht gefällt: Morgen kommt auf den sozialen Frieden in der Bundesrepublik eine der härtesten Bewährungsproben zu. Denn weit mehr als der Streit um Gehaltsprozente, Arbeitszeiten oder Betriebsverfassungsgesetz und das Bemühen um Arbeitsverdichtung und Betriebsergebnisse bewegt den Arbeitnehmer die Frage: Darf ich morgen während der Arbeit Fußball schauen?
Chefs und Gewerkschafter mögen die Dringlichkeit dieser Frage und die Richtigkeit dieser Analyse nicht sofort uneingeschränkt bejahen. Sicherlich geht es morgen (noch) nicht um das Schicksal der Nation. Aber genauso, wie bei der Schilderung dieses Problems ein wenig Augenzwinkern angesagt ist, sollten die Chefs morgen ein wenig Augenmaß zeigen: Ja, es gibt Tage, an denen es nichts Wichtigeres gibt als elf deutsche Jungs, die am anderen Ende der Welt einem Ball hinterherlaufen. Das mag nicht für den OP-Saal im Klinikum und nicht fürs Cockpit eines Airbus gelten, für viele Firmen hingegen schon.
Wir Arbeitnehmer haben gelernt, dass man Krisen auch als Chancen begreifen kann. Jetzt ist es an den Chefs zu begreifen, dass auch die Fußball-WM eine Chance sein kann: Eine Chance, mal wieder Kapitalismus mit menschlichem Antlitz zu praktizieren. Eine Chance, ähnlich wie dem Geizkragen Scrooge aus Dickens’ Weihnachtsgeschichte doch noch Platz für große Gefühle zu lassen.
PS: Die AZ-Belegschaft schaut morgen ab 13.30 Uhr gemeinsam im Konferenzraum.
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