Firmen, so billig wie nie
MÜNCHEN - Östliche Staatsfonds nutzen die niedrigen Aktienkurse zur Schnäppchenjagd in Amerika und Europa. Dort sind sie den Firmenchefs als treue Geldgeber anders als früher willkommen.
MAN hat nicht lange auf einen Angriff gewartet. Der Nutzfahrzeug- und Anlagenhersteller trat die Flucht nach vorne an und verkaufte seine Tochter, den Industriedienstleister Ferrostaal, an einen Staatsfonds aus Abu Dhabi. Die Araber werden mit 70 Prozent bei Ferrostaal künftig das Sagen haben.
Die westlichen Börsen geben ein jammervolles Bild ab, alle Anleger blasen Trübsal. Alle Anleger? Die Manager ausländischer Staatsfonds reiben sich die Hände. Günstiger denn je können sie sich bei westlichen Unternehmen einkaufen – weswegen Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy am liebsten wichtige Konzerne vorsichtshalber verstaatlichen würde.
Vor allem Staatsfonds aus dem nahen Osten und Asien nutzen die Finanzmarktkrise für die Schnäppchenjagd, berichtet das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Im ersten Halbjahr des Jahres investierten sie 21,6 Milliarden Euro in Beteiligungen an westlichen Konzernen.
Besonders rege ist der Staatsfonds Government of Singapore Investment Er stieg unter anderem mit Milliardensummen bei der amerikanischen Citigroup und der Schweizerischen Bank UBS ein. Auch Kuwait, seit langem an Daimler beteiligt, lässt sich nicht lumpen: Ein Staatsfonds des Landes beteiligte sich mit 4,4 Milliarden Euro an der Investmentbank Merril Lynch. Der japanische Finanzkonzern Mitsubishi UFJ kaufte sich mit 5,8 Milliarden Dollar ein Fünftel der US-Investmentbank Morgan Stanley, die zuvor bereits knapp zehn Prozent ihrer Aktien an einen chinesischen Staatsfonds veräußert hat.
Vermehrt geraten jetzt europäische Firmen ins Visier der Fonds. Diese sitzen auf Bergen von Geld und können es sich wegen der Schwäche der amerikanischen Wirtschaft nicht mehr leisten, Europa links liegen zu lassen. Interessant für sie sind besonders dieneigen europäischen Firmen, deren Börsenwert unter den Buchwert – also das in der Bilanz ausgewiesene Anlagevermögen – gerutscht ist. Dies ist bei Finanztiteln und einer Reihe von Autoherstellern der Fall. Wer beispielsweise heute eine BMW-Aktie kauft, bekommt mit dem Unternehmensanteil rein rechnerisch einen höheren Wert, als er für das Papier ausgeben musste. Es sei vor diesem Hintergrund „sehr realistisch“, dass Staatsfonds vermehrt ihr Interesse für deutsche Industrieadressen entdecken, heißt es beim ZEW.
Bisher lassen sich deutsche Industriemanager aber nicht von Sarkozys Angst anstecken, im Gegenteil. Anders als die berüchtigten Heuschrecken gelten östliche Staatsfonds als geduldige Investoren, die ihren Unternehmen lange die Treue halten und das Management in Ruhe lassen. Deswegen wirbt beispielsweise Siemens-Finanzvorstand Joe Kaeser offensiv um staatliche Geldgeber. sun
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