Fader Beigeschmack
"Es herrscht der Wille, schnell zur Tagesordnung überzugehen": Matthias Maus, AZ-Chefreporter, zum Prozess um den Inzest-Fall von Amstetten.
Wieder hat er den Aktenordner hochgehalten, aber immerhin, diesmal hat Josef F. einen Moment das Visier fallen lassen und sein Gesicht gezeigt. Das wird womöglich die größte Enthüllung, die im Prozess von Amstetten herauskommen wird.
Österreich ist ein Rechtsstaat, und selbstverständlich muss die Öffentlichkeit von weiten Teilen der Verhandlung ausgeschlossen werden. Wenn die Geschworenen das Tagebuch des 24-jährigen Martyriums der Tochter anhören, dann geht das tief ins Persönlichkeitsrecht. Und niemand kann etwas dagegen haben, dass hier jemand geschützt wird.
Dennoch mutet die Art und Weise, wie der Prozess von St. Pölten durchgezogen, man kann auch sagen: durchgepeitscht wird, seltsam an. Warum sind auch die technischen Gutachten geheim? Wie es F. geschafft hat, das Verlies von 18 auf 40 Quadratmeter auszubauen, mit primitivsten Mitteln, ganz allein und völlig unbemerkt, das wäre schon interessant. Oder die Leichtgläubigkeit der Behörden. Die schluckten dreimal dieselbe Story, wonach die angeblich abgehauene Tochter ihren Eltern einen Enkel vor die Tür legt. Das alles wird wohl nie geklärt, hätte aber Thema sein können, ebenso wie die Rolle der Ehefrau, die 24 Jahre lang angeblich nie etwas gemerkt hat vom seltsamen Tun ihren Mannes.
Die Tat eines Einzelnen, hat die Richterin gleich zu Anfang gesagt, werde hier verhandelt. Das ist zumindest eine seltsame Festlegung. daraus spricht der Wille, schnell zu machen, schnell zur Tagesordnung überzugehen. Da bleibt ein fader Beigeschmack.