EU-Finanzminister machen ernst

Die Ressortchefs diagnostizieren ein erhöhtes Ansteckungsrisiko bei Krisen auf dem Finanzmarkt. Sie beschließen den Aufbau eines Frühwarnsystems. Über 20 Institute sollen genauer unter die Lupe genommen werden, auch einige Deutsche.
Als Konsequenz aus der weltweiten Finanzmarktkrise wollen die EU-Staaten international agierenden Banken und Versicherungen öffentliche Aufsichtsgremien an die Seite stellen. Die Finanzminister vereinbarten am Freitag die Einrichtung sogenannter Stabilitätsgruppen. Diese sollen als Frühwarnsystem für riskante Entwicklungen bei europaweit aktiven Großbanken, Versicherungen und Investmentfirmen dienen.
In der Vereinbarung, die am 1.Juli 2008 in Kraft tritt, ist von einem «erhöhten Ansteckungsrisiko» bei Finanzmarktkrisen in der EU die Rede. Angesichts der zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtung zwischen den 27 Mitgliedstaaten müssten sich auch die Kontrolleure besser vernetzen. Daher soll für jedes Finanzinstitut mit «bedeutsamen Tochtergesellschaften» in mehreren EU-Staaten eine so genannte Stabilitätsgruppe gegründet werden. In diesen sollen Aufsichtsbehörden, Zentralbanken und Regierungen der betroffenen Länder vertreten sein.
Deutsche Bank, Allianz, Münchener Rück
Insgesamt dürften in der EU rund 20 bis 30 Finanzinstitutionen betroffen sein, sagten EU-Diplomaten, neben Banken auch Versicherungen und Börsen. In Deutschland dürften etwa die Deutsche Bank, die Versicherungsriesen Allianz und Münchener Rück sowie - über deren italienische Mutter UniCredit - die HypoVereinsbank betroffen sein. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück gab als Ziel «eine größere Konvergenz und Kooperation der Aufsicht» aus. Der designierte Finanzstaatssekretär Jörn Asmussen sagte in Brdo, Deutschland betrachte die Koordinierungsaufgabe als Chefsache. Voraussichtlich würden Bundesfinanzminister Steinbrück, Bundesbankchef Axel Weber und der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Jochen Sanio, persönlich an Sitzungen der Stabilisierungsgruppen teilnehmen.
«Schon zu Friedenszeiten» ein Bild machen
Die Stabilitätsgruppen sollen sich vorsorglich «schon zu Friedenszeiten» ein Bild über mögliche Risiken machen, damit man im Ernstfall «gleich ins Krisenmanagement einsteigen kann», hieß es. In letzter Konsequenz könne Aufsicht bedeuten, dass die Institute ihre Bücher offen legen müssten, hieß es bei EU-Diplomaten. Die Initiative für die Bildung eines Kontrollgremiums soll vom Heimatland des jeweiligen Institutes ausgehen. In Deutschland wären demnach etwa die Bundesbank, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) oder das Bundesfinanzministerium aufgerufen, die Initiative zu ergreifen. In dem Papier heißt es ausdrücklich: «Das Ziel ist nicht, Bankpleiten zu verhindern.» Vielmehr gehe es um ein Krisenmanagement, das die Stabilität des Finanzsystems als Ganzes sichern soll. Damit sollen auch gesamtwirtschaftliche Folgen und die Kosten für die Allgemeinheit begrenzt werden.
Bankpleiten Verhindern ist nicht das Ziel
Offen bleibt dem Vernehmen nach, wie die Lasten verteilt werden sollen, wenn es tatsächlich zu einem Bankzusammenbruch oder einer grenzüberschreitenden Bankenkrise kommt und möglicherweise mehrere EU-Mitgliedsländer mit öffentlichen Mitteln helfen müssen. Die Absichtserklärung enthält aber Regeln, wie dies nachträglich ermittelt werden soll. Der Pakt soll auch in der kommenden Woche beim Treffen der G7-Finanzminister in Washington präsentiert werden. Für die Zukunft schloss Bundesfinanzminister Steinbrück auch die Schaffung einer europäischen Finanzaufsicht nicht aus. Dazu gebe es aber «eine ganze Reihe von Detailfragen, die nicht einfach so holterdipolter gelöst werden können», sagte der SPD-Politiker. (AP/dpa)