Erst urlauben, ab dem nächsten Jahr sparen
BMW-Werker nehmen die Zwangspause im Münchner Stammwerk bis zum 9. Januar gelassen. Aber bald stehen Kürzungen an. Bleibt es bei der 35-Stunden-Woche für die meisten Beschäftigten?
MÜNCHEN Endlich Zeit zum Renovieren. Jörg-Uwe Naumann bringt zurzeit seine Wohnung auf Vordermann, zwischen den Jahren will er seine Mutter besuchen. Dafür musste der 54-Jährige nicht um Urlaub bitten: Naumann arbeitet in der Karosseriemontage im BMW Werk München, das die Belegschaft für fünf Wochen nach Hause geschickt hat.
Auch Naumanns Kollege Karl-Heinz Meier bringt seine Wohnung in Schuss. Außerdem freut er sich auf den Skiausflug mit anderen BMW-Werkern. „Das machen wir natürlich unter der Woche, wenn die Pisten leer sind“, sagt er. Für Meier ist die Werksschließung kein Problem. Er würde nicht einmal hervös, wenn sein Zeitkonto ein Minus aufweisen, er dem Unternehmen also Überstunden schulden würde. „Das wäre für mich ja wie ein zinsloses Darlehen von BMW.“
„Die Pause ist nicht nachteilig für uns“, ist sich auch BMW-Werker Necip Sahin sicher. Er will in den Ferien für eine Woche mit Frau und Kind nach Ammerland in Österreich ins Hotel fahren. „Hoffentlich läuft es in ein, zwei Monaten wieder gut“, sagt Sahin, „dann können wir wieder produzieren und das Arbeitszeitkonto wieder auffüllen“. Die BMW-Werker wissen, dass sie weitaus besser dran sind als etwa die Belegschaft des größten Mercedes-Werks in Sindelfingen. Dort wird im Januar kurzgearbeitet.
Trotzdem werden auch besorgte Stimmen laut. „In der ersten Woche des neuen Jahres müssen wir Urlaub nehmen“, sagt Jörg-Uwe Naumann. „Auch danach, fürchte ich, werden wir unseren Erholungsurlaub weiter aufbrauchen müssen.“
Naumann berichtet außerdem von Einschnitten: „Den Kollegen der Sitzefertigung hat man am letzten Donnerstag auf einer Abteilungsversammlung dargelegt, dass eine Auslagerung nur zu verhindern ist, wenn sie entweder massive Lohnkürzungen in Kauf nehmen, oder die Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich verlängert wird.“
In der Motorenfertigung habe BMW bereits eine längere Arbeitszeit durchgesetzt. Die Motoren könnten auch im österreichischen Steyr produziert werden, habe das Management argumentiert – und dort seien statt der 35-Stunden-Woche 38,6 Stunden Realität. Naumann ist verärgert: „Ich bin nicht bereit, für die durch Spekulation ausgelöste Finanzkrise auf Lohn oder soziale Leistungen zu verzichten.“ Weil die Produktivität im Werk ständig steige, plädiert er für eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich – dann dürften auch die Leiharbeiter wieder ins Werk, die BMW nach Hause geschickt hat, sagt er.
Daraus wird vermutlich nichts. BMW will sparen – auch beim übertariflichen Weihnachtsgeld und der Erfolgsbeteiligung. 15,5 Monatslöhne wie 2008, sagte ein Firmensprecher zur AZ, „sind im nächsten Jahr vermutlich nicht mehr darstellbar.“ sun
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