"Eine Million, damit können wir uns anfreunden"
AZ: Sie kritisieren die deutschen Vorstandsvergütungen als überzogen. Wie viel, glauben Sie, darf ein Konzernlenker verdienen?
MARKUS DUFNER: Höchstens 20 Mal mehr als der durchschnittliche Lohn eines Beschäftigten. Das wäre beispielsweise bei Daimler eine Million Euro im Jahr. Mit dieser Schallmauer könnten wir uns anfreunden. Allerdings kommt es uns nicht so sehr auf eine konkrete Zahl an, sondern auf eine Debatte über einen angemessenen Lohn. Vielleicht landen wir am Ende nicht mehr bei Gehältern zwischen acht und zehn Millionen Euro, sondern zwischen zwei und drei Millionen – das wäre auch vorstellbar. Es ist uns klar, dass ein Topmanager keine 35-Stunden-Woche hat und viel Verantwortung trägt. Doch angesichts der sozialen Ungleichheit bei uns brauchen wir eine Obergrenze.
Gemessen an den Milliarden-Umsätzen der Konzerne fallen ein paar Millionen mehr oder weniger doch nicht so ins Gewicht. Schüren Sie nicht den Sozialneid?
Das hat mit Sozialneid nichts zu tun, sondern mit sozialer Gerechtigkeit. Wir haben in Deutschland auf der einen Seite Menschen, die nicht mehr wissen, wohin mit ihrem Geld, und auf der anderen Seite Menschen, die in prekären Beschäftigungsverhältnissen leben und deren Verdienst kaum ausreicht. Gleichzeitig kann mir keiner sagen, dass es den Menschen glücklicher macht, wenn er anstelle von 2,5 Millionen Euro 25 Millionen Euro auf dem Konto hat.
Die Vergütung für die Bosse sind das Ergebnis von Verhandlungen zwischen freien Menschen – nämlich zwischen den Führungskräften und den Eigentümern eines Unternehmens. Sind die Aktionäre nicht selbst schuld, wenn sie ihren Vorständen überzogene Gehälter zahlen?
Vollkommen richtig. Wir finden es auch problematisch, wenn Aktionäre eine immer höhere Rendite erwarten. Da stehen wir in einer anderen Tradition als die Aktionärsvertreter von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger und der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz, die Rendite um jeden Preis fordern. Wir dagegen finden, dass nur so viel Dividende ausgeschüttet und so hohe Vergütungen ans Management gezahlt werden, dass genügend Geld für die normalen Beschäftigten und für Investitionen in die Zukunft im Unternehmen bleibt. Leider gibt es in vielen Unternehmen große Aktionäre, an denen nichts vorbeigeht, und die Veränderungen blockieren können – beispielsweise die Krupp-Stiftung bei Thyssen-Krupp oder die Familie Quandt bei BMW.
Ist es nicht blauäugig, an das Gute im Aktionär zu appellieren? Jeder will doch, dass sich seine Investition rentiert.
Ganz so blauäugig, wie Sie annehmen, sind wir nicht. Wir fordern auch gesetzliche Maßnahmen. Weil wir nicht wie in der Schweiz einen Volksentscheid über Spitzenlöhne durchführen können, müssen wir uns an die politischen Parteien wenden. Das geht nur, wenn man kontinuierlich Druck macht. Durch den erfolgreichen Volksentscheid in der Schweiz ist ein spannender Prozess in Gang gesetzt worden. Was wird Ihre nächste Aktion sein? Wir werden auf der Daimler-Hauptversammlung auftreten und Konzernchef Dieter Zetsche auffordern, auf einen Teil seiner Millionen zu verzichten. Int.: sun
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