Eine Anstandsfrage
AZ-Politikchef Frank Müller über den unausweichlichen Abgang von Schäuble
Selbst in der an Aufs und Abs nicht armen Karriere Wolfgang Schäubles wäre es ein Wunder, würde er sich von den momentanen Turbulenzen noch einmal erholen. In unserer Politikwelt gibt es Dinge, die werden vergessen und verziehen. Und es gibt Sätze, die bleiben kleben. „Reden Sie nicht, Herr Offer“ ist so ein Satz. Er ist Missachtung, schlechter Stil und mangelnde Führungskultur in einem. All das darf auch einem Minister einmal passieren. Aber dann muss er sich entschuldigen.
Diesen Ausweg hat Schäuble in Seoul wahrscheinlich zum letzten Mal verpasst – vor den Augen der Welt auf der internationalen Bühne des G20-Gipfels. Am Ende wird eine Machtstrategin wie Bundeskanzlerin Angela Merkel die Frage ebenso nüchtern wie hart entscheiden: Nützt Schäuble der Regierung noch mehr, als er ihr schadet?
Dass die Folgen eines skurrilen Minister-Auftritts Bundeskanzlerin Angela Merkel noch Tage später in die Enge treiben, während sie eigentlich Weltpolitik machen sollte, das wird sie sich nicht lange bieten lassen. Deswegen ist die Ära Schäuble nun vorbei – so oder so. Nicht seine Krankheit gibt den Ausschlag, nicht seine Finanzpolitik, nicht der Aussetzer mit Offer an sich. Sondern dass er es nicht schaffte, für diesen Fehler vier einfache Worte zu finden: „Es tut mir leid.“
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