Ein Vorbild
Courage zu fordern ist leicht – und wenn es gefährlich wird? – AZ-Chefredakteur Arno Makowsky über die Bluttat von Solln und die Folgen
Stellen Sie sich bitte einmal vor: Sie stehen am S-Bahnsteig. Neben Ihnen pöbeln zwei Jugendliche einen oder mehrere Passanten an, werden handgreiflich, beginnen zu treten. Die Schläger sind in der Überzahl, sind viel stärker als Sie, schrecken offenbar vor keiner Brutalität zurück.
Greifen Sie ein? Sofort? Wenn Sie jetzt Ja sagen, dann sind Sie verdammt mutig. So mutig wie Dominik B., der 50-jährige Geschäftsmann, der seine Courage mit dem Leben bezahlen musste. Was er getan hat, ist enorm bewundernswert, die meisten von uns würden es nicht tun. Vor allem jene nicht, die nach solchen schrecklichen Fällen immer „mehr Zivilcourage“ einfordern.
Courage zu fordern, ist leicht. Es ist zum Beispiel kein Problem, einen besoffenen Idiotenmaßzuregeln, der in der U-Bahn die Leute mit ausländerfeindlichen Parolen belästigt. Aber wenn es wirklich gefährlich wird – dann zeigt sich, ob die Überzeugung stärker ist als die Angst.
Eine Initiative möchte, dass Dominik B. nach seinem Tod für seine Tat ausgezeichnet wird. Das hilft ihm nicht mehr, aber es ist trotzdem richtig. Weil damit ein Mensch geehrt wird, der sich so verhalten hat, wie viele von uns es sich nicht trauen würden – und wir dadurch einen Spiegel vorgehalten bekommen. Die Botschaft des Dominik B. lautet: Denk nicht nach, bevor du gegen ein Unrecht eingreifst, mach es einfach.
Das Risiko, totgeschlagen zu werden, ist verschwindend gering, auch wenn es jetzt passiert ist. Ein Grund zur Feigheit ist es nicht.