Ein Sommermärli
Küsst Löw die Bundeskanzlerin Angela Merkel oder der Gusenbauer den Hickersberger? - Niemand kann sich dem EM-Fieber entziehen, meint der stellvertretende AZ-Chefredakteur Gunnar Jans.
Unendlich weit weg und lange her schien er zu sein, der Sommer 2006, doch jetzt, da es wieder losgeht, darf das Märchen fortgeschrieben werden. Wenn’s nur die Gastgeber mitbekämen. An einem Drittel der Österreicher ist die Europameisterschaft bislang völlig vorbeigegangen, bei den Schweizern sind sogar 59 Prozent Fußball-Verweigerer.
Vor zwei Jahren war die Welt zu Gast bei Freunden, jetzt ist Deutschland zu Gast bei Desinteressierten. Wir sollten sie wachküssen, die dösenden Ösis und die phlegmatischen Öhis. Also ran ans Sommermärli.
Erobert Jogi Löw die Fanmeilen vom Letzigrund bis Klagenfurt, und wird die Bundeskanzlerin den Bundestrainer am Ende küssen oder doch der Gusenbauer den Hickersberger? Verstopft der schwarz-rot-goldene Autocorso den San Bernadino und den Tauerntunnel? Schicken die durchgeknallten Typen vom polnischen „Superexpress“ ihren Trainer Beenhakker (keine Namenswitze, bitte) am Sonntag aufs Schafott? Herrscht in England (Out of Europe) Nachrichtensperre? Fliegt der Franz wieder im Hubschrauber von Spiel zu Spiel oder kraxelt er mit Pickel und Steigset auf die Berg-Arenen? Wird „Revolverheld“ die Sportfreunde ablösen und grölen wir bald alle auf Kindergartenniveau „Wir sind daaaha“?
Wen das immer noch nicht interessiert, der kennt die einzig wahre Antwort: Wichtig is aufm Platz. Zumindest in den nächsten drei Wochen. Wer von all dem aber gar nichts mitbekommen mag, dem bleibt nur die Flucht nach Liechtenstein. Oder Alaska.
Der Autor ist Sportchef und stellvertretender Chefredakteur der Abendzeitung
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