Ein Neubeginn!

„Das politische Kabarett braucht keine grenzdebilen Comedians": Arno Makowsky, AZ-Chefredakteur, über die Zukunft des politischen Kabaretts.
„Hildebrandt stoppt Scheibenwischer“ – die AZ-Schlagzeile dieses Wochenendes klingt geradezu skurril für Freunde des politischen Kabaretts. Scheibenwischer, Hildebrandt, Zensur – war da nicht mal was? Stimmt: 1986 lautete die Überschrift: „BR stoppt Scheibenwischer“. Der brav katholische Bayerische Rundfunk blendete sich aus dem laufenden Programm aus, nachdem Dieter Hildebrandt in seinem „Tschernobyl“-Scheibenwischer dazu aufgefordert hatte, den Papst zu dekontaminieren. Und jetzt? Jetzt will Hildebrandt seine eigene Sendung entgiften und verbietet den Titel „Scheibenwischer“.
Auf den ersten Blick ist sein Anliegen ja sympathisch. Er fürchtet, dass sein politisches Fernsehkabarett von schwachsinnigen „Comedians“ unterwandert wird – wer je einen Abend mit Mario Barth durchlitten hat, kann Hildebrandt auf Anhieb verstehen. Andererseits steht sein Nachfolger Mathias Richling nicht im Verdacht, ein Freund grenzdebiler Witzereißer zu sein, die man im „Scheibenwischer“ tatsächlich nicht sehen will. Genauso wenig übrigens wie das politische korrekte Volkserzieher-Kabarett, in dem sich Studienräte und kritisch denkende Zahnärzte beim Prosecco amüsieren.
Das politische Kabarett sei tot, wird oft gesagt. Das stimmt nicht. Kleinkünstler wie Hagen Rether und Urban Priol begeistern ein großes Publikum mit scharfer Gesellschaftskritik. Und es gibt Jüngere, die nachkommen. Vielleicht ist es gar nicht schlecht, dass der Scheibenwischer ausgedient hat – als Symbol für einen Neubeginn des politischen Kabaretts.