Dr. Datenkrake: Wie Big Data die Medizin verändert

Big Data soll die Welt berechenbarer machen. Auch unsere Krankheiten. Das bringt echte medizinische Vorteile – aber eben nicht nur
Francesco Giammarco |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Science-Fiction-Medizin a la Raumschiff Enterprise werden wir freilich nie erleben - auch wenn noch so viele Daten gesammelt werden: Schiffsarzt Dr. McCoy (re.) neben Nyota Uhura.
dpa Science-Fiction-Medizin a la Raumschiff Enterprise werden wir freilich nie erleben - auch wenn noch so viele Daten gesammelt werden: Schiffsarzt Dr. McCoy (re.) neben Nyota Uhura.

MÜNCHEN - Wenn auf dem Raumschiff Enterprise jemand krank wird, dann fährt der Doktor mit einem stiftgroßen Gerät über den Patienten und den Rest erledigt der Computer. In sekundenschnelle spuckt er eine Diagnose und die passende Behandlung aus. Ärzte auf der Enterprise sind eigentlich nur dafür da, um Medikamente zu verabreichen.

Dass sich daran niemand stört, hat damit zu tun, dass es in der Welt der Enterprise kein Geld gibt, kein Reichtum und auch keine Armut. Kurz: Niemand hat ein Interesse, die medizinischen Daten für etwas anderes zu verwenden, als wofür sie gedacht sind. Wir leben aber nicht in einer solchen Welt. In unserer Welt gibt es ein sehr großes Interesse an Daten.

Hier lesen Sie die anderen Beiträge aus dem AZ-Gesundheits-Special

Firmen wie Google oder Facebook bieten ihre Produkte gratis an, weil die Daten, die sie damit sammeln, sehr viel mehr wert sind als die Produkte selbst. Das Sammeln von Daten beschränkt sich nicht mehr nur auf das, was wir mögen, welche Musik wir hören, welche Bücher wir lesen.

Auch im Bereich der Gesundheit werden immer mehr Daten gesammelt. Daten machen die Welt berechenbar. Deswegen sammelt die NSA unsere persönlichen Informationen. Das Schlagwort heißt Big Data.

Die Idee dahinter: mit Hilfe von Algorithmen, also von Menschen programmierte Formeln, Vorhersagen zu treffen. Wenn nach dem Kauf eines Buches Amazon weiß, welche Bücher dem Kunden noch gefallen könnten, ist ein Algorithmus am Werk.

Solche Algorithmen können auch in der Medizin zum Einsatz kommen. Das hat echte Vorteile. Denn je mehr Daten es über einen Patienten gibt - von der Ernährung über das Sexualleben bis hin zum Genmaterial – um so genauer lassen sich Krankheiten bekämpfen und vor allem auch vorbeugen.

Big Data macht die Welt vorhersehbar. Aber an der Genauigkeit dieser Berechnungen lässt sich zweifeln. Erst vor kurzem erntete Google Kritik für sein Projekt Google Flu Trend (GFT). Dabei vergleicht Google Suchanfragen zu Gesundheitsthemen von Millionen von Menschen.

Ein Algorithmus berechnet, wie wahrscheinlich es ist, dass in einer bestimmten Region eine Grippewelle ausbricht. Forscher aus Boston haben herausgefunden, dass GFT in den vergangenen Jahren Krankheitswellen sowohl unterschätzt als auch überschätzt hat. Wo das Problem genau liegt, lässt sich nur schwer feststellen. Denn so wie viele andere Unternehmen veröffentlicht Google seinen Algorithmus nicht.

Das ist erstmal folgenlos. Aber was ist, wenn man die Idee dahinter weiterspinnt?

Es sei noch einmal das Genre der Science Fiction bemüht. In dem Film Gattaca von 1997 ermitteln Computer anhand des Erbguts sowohl die Veranlagung für Krankheiten als auch die Lebenserwartung der Menschen – und Unternehmen stellen ihre Arbeiter entsprechend dieser Tests ein. Das ist theoretisch auch heute möglich.

Nicht alle Daten liegen bei den Ärzten und den Krankenkassen. Immer mehr Menschen nutzen Fitness- und Gesundheitsapps. Es gibt einen Trend, sich und seine Körperfunktionen 24 Stunden am Tag zu messen: Herzfrequenz, Blutzuckerspiegel. Quantified Self nennt sich das – die Vermessung des Selbst.

Aber ist uns unsere Gesundheit soviel wert, dass wir unsere intimsten und privatesten Informationen teilen? So wird Durchschaubarkeit zum Preis der Gesundheit. Denn man weiß, dass Gratis-Apps anonymisierte Daten weitergeben. Das ist ihr Geschäftsmodell.

Nur so verdienen sie Geld. Man weiß auch, dass solche Anonymisierungen leicht rückgängig zu machen sind. Vor allem wenn man weiß, nach wem man suchen muss.

Vereine wie Transparency International kritisieren schon länger die Ökonomisierung der Gesundheit. Dort wo große Datenmengen entstehen, entsteht auch Interesse, aus diesen Daten Kapital zu schlagen. Wohin das führen kann, zeigt sich in Großbritannien: Dort sollen in einem Großprojekt alle Patienten- und Krankenhausakten des Landes in einem Archiv zentralisiert werden. Das Ziel soll es sein, Krankheiten besser bekämpfen zu können. Ein anderer Teil des Plans sorgte aber für einen Aufschrei: Denn es gab auch Pläne, die Daten zum Kauf anzubieten.

 

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
Teilen
lädt ... nicht eingeloggt
 
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.