Die zarteste Verschwörung?
Nach dem Preisanstieg bei Schokoladen-Produkten greift jetzt das Kartellamt ein. Die Firmen hätten sich untereinander abgesprochen, mutmaßt die Behörde. Nun kam es zu Razzien in den Firmen-Zentralen.
MÜNCHEN Die ersten Warnungen kamen im Spätherbst. Die Verbraucher hatten gerade den Preisschock bei Milch und Butter verdaut, da stimmten sie die Schokolade-Hersteller auf höhere Kosten ein. Danach stiegen die Preise tatsächlich – um rund zehn Prozent. Angesichts der Einträchtigkeit der Branche greift jetzt das Kartellamt ein. Die Firmen hätten sich untereinander abgesprochen, mutmaßt die Behörde und filzte die Konzernzentralen.
Die Fahnder kamen am vergangenen Donnerstag. „Unser Büro in Viersen wurde durchsucht“, sagte Sabine Hansult von Mars zur AZ. Das Unternehmen hatte die Preise um durchschnittlich acht Prozent erhöht. In welchem Umfang die Preissteigerung an den Kunden weitergegeben wird, hängt vom einzelnen Handelsunternehmen ab.
„Wir kooperieren mit dem Kartellamt“, sagt Silke Trösch von Kraft Foods. Sie verwehrt sich gegen den Kartell-Vorwurf: „Wir haben die Preise gar nicht erhöht, obwohl sich die Rohwaren massiv verteuert haben.“ So hätten sich die Preise für Milchpulver fast verdoppelt, Kakao, Öle und Nüsse seien um 30 bis 70 Prozent teurer geworden.
Eine Sprecherin von Ferrero sagte ebenfalls, die Preissteigerungen seien weit unter der Teuerung für die Rohprodukte geblieben. Ferrero verlange seit dem Jahresende 2007 nur für Kinder Riegel, Kinder Joy, Duplo und Hanuta zwischen ein und sechs Prozent mehr Geld. Nestlé wollte sich zu den Kartell-Untersuchungen nicht äußern. Die Hinweise auf die mögliche Preisabsprache könnten von einem Handelsunternehmen kommen, dessen Manager in den Jahres-Planungs-Gesprächen von den Herstellern über den Tisch gezogen wurde. Denkbar sind auch Hinweise aus den Hersteller-Konzernen selbst. Kommt es zu einem Kartellverfahren, drohen hohe Strafen. Das Bußgeld beträgt maximal zehn Prozent des Jahreskonzernumsatzes. Zusätzlich kann das Kartellamt noch den sogenannten wirtschaftlichen Vorteil abschöpfen, den ein Unternehmen durch seine Kartellverstöße erlangt hat.
Eine Preisabsprache der Schoko-Hersteller sei denkbar, sagt Unternehmensberater Volker Dölle. Allerdings würden im Süßigkeiten-Markt Emotionen und ausgefeilte Werbe-Strategien eine größere Rolle spielen als die nackten Produktionskosten. Deswegen würden sich die Hersteller mit konzertierten Aktionen schwerer tun als beispielsweise Stromlieferanten. Niemand will sich schließlich den Erfolg einer Marketing-Kampagne mit einer Preisrunde zur Unzeit vereiteln. Dölle hält eine andere Ursache für den Preisanstieg für plausibler: „Die Verfügbarkeit der Produkte nimmt ab“, sagt er. Weil die Verbraucher in Asien immer mehr westliche Marken-Schokolade essen, sind die Hersteller gegenüber dem Handel erstmals in einer komfortablen Situation. Sie müssen nicht mehr um jeden Preis zigtausende Paletten in Deutschland absetzen – sondern können statt dessen an der Preisschraube drehen.sun
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