Die Woche der Entscheidung bei Metalltarifen
Frankfurt/Main - Eine Lösung des Konflikts um die Löhne und Arbeitsbedingungen von rund 3,8 Millionen Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie scheint noch vor Pfingsten möglich.
Doch was bedeutet es, dass zunächst in NRW weiter verhandelt wird?
Noch haben die beiden Seiten in den bislang regional geführten Verhandlungen keinen Pilotbezirk ausgeguckt, dessen Ergebnis auf die übrigen Gebiete übertragen werden könnte. Die Arbeitgeber haben keinen Hehl daraus gemacht, dass sie gerne in Nordrhein-Westfalen vorankommen würden. Das Tarifgebiet vereine so viele Mittelständler wie kein anderes in der Republik, hatten sie zur Begründung erklärt. Hier haben sie ihr erstes Angebot vorgelegt, hier starten sie in die vierte und möglicherweise entscheidende Verhandlungsrunde. Auch der NRW-Chef der IG Metall, Knut Giesler, traut sich einen Abschluss zu.
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Kann NRW also Pilotbezirk werden?
Absolut. Das mit rund 700.000 M&E-Beschäftigten mitgliederstärkste Tarifgebiet zählt neben Bayern und dem Dauer-Pilotbezirk Baden-Württemberg zu den abschlussfähigen Gebieten. Zuletzt wurde an Rhein und Ruhr im Jahr 2010 ein Abschluss gezimmert, damals noch unter den Protagonisten Horst-Werner Maier-Hunke (NRW Metall) und Oliver Burkhard (IG Metall). Es ist aber auch denkbar, dass mögliche Fortschritte von Neuss zwei Tage später in Baden-Württemberg weitergesponnen und zu einem Abschluss gebracht werden. Sowohl die Gewerkschaft als auch die Arbeitgeberverbände sind so zentralistisch gestrickt, dass das kein Problem darstellt. Die intern gesetzte Frist "vor Pfingsten" bliebe gewahrt.
Wie weit sind Forderung und Angebot noch auseinander?
Das Delta zwischen der 5-Prozent-Forderung und dem Angebot der Arbeitgeber liegt auf ein Jahr gerechnet bei knapp vier Prozent - also noch ein langer Weg, wenn man bedenkt, dass jeder Prozentpunkt rund 2 Milliarden Euro Lohnsumme bedeutet. Dass es in dieser Runde ausschließlich ums Geld geht, macht eine Einigung nicht leichter, weil Kompromiss- und Ausweichmöglichkeiten fehlen. Die Arbeitgeber haben eine sehr lange Laufzeit von 24 Monaten und Ausnahmeregeln für schwache Betriebe ins Spiel gebracht. Beides ist bei der IG Metall sehr unbeliebt.
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Warum gehen die Warnstreiks während der Verhandlungen weiter?
Bei halbwegs ruhiger Konjunktur finden bei Tarifverhandlungen in der deutschen Schlüsselindustrie Metall und Elektro immer Warnstreiks statt, die bis zum Abschluss anhalten. Letzte Ausnahme war das Krisenjahr 2010, als die IG Metall unter dem Eindruck von flächendeckender Kurzarbeit und Wirtschaftskrise erst gar keine Forderung aufstellte und allein um die Sicherung der Arbeitsplätze bemüht war. In den anderen Jahren ziehen regelmäßig hunderttausende Beschäftigte mit roten Fahnen vor die Werkstore. Mit bislang 360.000 Teilnehmern hat die IG Metall das Niveau aus den Vorjahren von jeweils zwischen 600.000 und 700.000 noch längst nicht erreicht.
Was passiert, wenn kein Abschluss gelingt?
Sollte bis Pfingsten kein Abschluss vorliegen, wird die IG Metall erstmals ihre neuen Tagesstreiks organisieren. Die Planungen dazu sind bereits so gut wie abgeschlossen, denn die Bezirke haben die in Frage kommenden Betriebe bereits an den Gewerkschaftsvorstand in Frankfurt gemeldet. Der entscheidet, wo gestreikt wird. Anders als bei den vorhergehenden, traditionellen Warnstreiks über wenige Stunden haben die Teilnehmer Anspruch auf Streikgeld aus der Streikkasse. Sicher ist bislang, dass die Ausstände bundesweit und in einer nennenswerten Zahl von Betrieben stattfinden würden.
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Wie wahrscheinlich ist ein regulärer Streik?
Ein regulärer Streik mit vorhergehender Urabstimmung ist immer noch in weiter Ferne. Zuletzt wurde vor 14 Jahren in einer Entgeltrunde der Metall- und Elektrobranche gestreikt. Die IG Metall hat sich im vergangenen Jahr die Tagesstreiks ganz bewusst in die Satzung geschrieben, als kontrollierte Eskalationsstufe unterhalb einer Urabstimmung. Gesamtmetall hat bereits angekündigt, das neue Arbeitskampfinstrument gerichtlich überprüfen zu lassen, sobald es angewendet wird.
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