"Die neuen Asozialen"

Das ist der gigantischste Steuerskandal, den die Republik je gesehen hat: 1000 Verdächtige, die meisten reiche Prominente, sollen den deutschen Staat um Milliarden betrogen haben. Allesamt reich genug, um es nicht nötig zu haben. Teil einer Elite, die das Gefühl hat, dass Gesetze für sie nicht gelten.
von  Abendzeitung
Das Ende einer Manager-Karriere: Klaus Zumwinkel auf dem Weg zum Verhör. Sein Fall ist angeblich nur die Spitze eines Eisbergs
Das Ende einer Manager-Karriere: Klaus Zumwinkel auf dem Weg zum Verhör. Sein Fall ist angeblich nur die Spitze eines Eisbergs © dpa

Das ist der gigantischste Steuerskandal, den die Republik je gesehen hat: 1000 Verdächtige, die meisten reiche Prominente, sollen den deutschen Staat um Milliarden betrogen haben. Allesamt reich genug, um es nicht nötig zu haben. Teil einer Elite, die das Gefühl hat, dass Gesetze für sie nicht gelten.

„Diese neuen Asozialen schaden der Gesellschaft“, empört sich SPD-General Hubertus Heil. Post-Chef Klaus Zumwinkel war nur der erste einer sehr, sehr langen Liste. Aus Regierungskreisen hieß es, die Zahl der Verdächtigen im Steuerskandal bewege sich im „vierstelligen Bereich“.

Finanzministeriums-Sprecher Thorsten Albig: „Ermittelt wird gegen sehr viele bekannte und wenige Leistungsträger. Die Verdienste der Verdächtigen liegen in höheren Einkommensklassen.“ Die Namen finden sich auf einer CD-Rom in Händen der Bochumer Staatsanwaltschaft. Dem Vernehmen nach gibt es bisher 900 Durchsuchungsbeschlüsse, 125 Ermittlungsverfahren laufen nächste Woche an. Das geschätzte Volumen des Betrugs reicht von 3,4 bis 4 Milliarden Euro.

Rat zur Selbstanzeige

Das wäre weit mehr als doppelt so viel wie deutsche Steuerfahnder sonst in einem ganzen Jahr eintreiben: 1,5 Milliarden. Albig riet den Betroffenen zur Selbstanzeige. Das ist aber nur möglich, solange die Fahnder noch nicht vor der Tür stehen. Und die Razzien laufen nun an. Die Verdächtigen sollen Kunden bei der LTG-Bank sein. „Wir haben die ganze Bank geknackt“, sagt ein Ermittler hoch erfreut.

Noch nie so eine Wutr auf die Elite

Ermittlungen gegen 1000 Prominente – einen solchen Steuerskandal gab es in Deutschland noch nie. Und noch nie so eine Wut auf diese „Elite“, die ihre Millionen am Staat vorbeischleust, während Arbeitnehmer ihre Steuern brav abführen müssen und damit all das finanzieren, was auch die Prominenten gerne nutzen.

„Offensichtlich ist bei Teilen der selbst ernannten Wirtschaftselite eine Praxis eingerissen, die man nur unanständig nennen kann“, so SPD-General Heil. Der grüne Fraktionschef Fritz Kuhn: „Die Gier der Elite wird zu einem kollektiven Problem. Die Manager müssen kapieren, dass sie mit dieser Haltung – möglichst viel in kurzer Zeit zusammenzuraffen – die Moral im Land zerstören.“

"Narzistische Selbstüberschätzung"

Handwerkspräsident Hanns-Eberhard Schleyer: „Es entsteht der Eindruck, dass die gesellschaftliche Elite ihrer Vorbildfunktion nicht mehr gerecht wird. Wir drohen in eine Gesellschaft abzurutschen, die wir überwunden glaubten: eine Klassen-Gesellschaft.“

Aber woher kommt diese Gier, wenn man ohnehin schon mehr hat als andere? Steuerpsychologe Hans-Jürgen Wirth: „Das liegt auch an narzistischer Selbstüberschätzung. Wer so handelt, hält sich für sehr clever, oder er glaubt, über Recht und Gesetz erhaben zu sein.“

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