Die große Unsicherheit beim Erben
MÜNCHEN - Seit dem 1. Januar gilt die neue Erbschaftsteuer. Sie führt zu viel Verwirrung bei den Verbrauchern - das wurde bei der AZ-Telefonaktion klar. Die Fragen unserer Leser - und die Antworten der Experten
Die Unsicherheit ist groß: Die neue Erbschaftsteuer sorgt für viel Verwirrung bei den Verbrauchern. „Das gilt vor allem beim Vererben von Immobilien“, sagt Klaus Michael Groll vom Deutschen Forum für Erbrecht. Die Experten des Forums gaben bei der AZ-Telefonaktion zur Erbschaftsteuer Auskunft. Fragen und Antworten daraus:
Thomas K., München. Von einem Onkel habe ich eine Ferienwohnung in Italien geerbt, muß ich in Deutschland Erbschaftsteuer zahlen?
Wenn Sie in Deutschland leben und der Wert der Immobilie Ihren Freibetrag von 20.000 Euro überschreitet, dann ja. Allerdings können Sie die in Italien gezahlte Erbschaftsteuer auf die deutsche Erbschaftsteuer anrechnen.
Helga Z., Nürnberg. Wir haben ein großes Grundstück mit einem 100 Jahre alten Haus darauf. Wie erfahren wir, welchen Wert das Finanzamt beim Vererben oder Verschenken zugrunde legen würde?
Maßgeblich ist der Verkehrswert, also der Verkaufswert des Hausgrundstücks. Um den zu ermitteln, gibt es komplizierte steuerliche Bewertungsverfahren. Einen ersten Richtwert erhalten Sie, wenn Sie sich beim Gutachtersausschuss der Gemeinde oder des Landkreises den Bodenrichtwert für Ihr Grundstück geben lassen und ihn mit der Grundstücksgröße multiplizieren.
Peter J., München. Ich bin Erbe meines Onkels, der letztes Jahr gestorben ist. In seinem Testament hat er zwölf verschiedenen Personen Geld vermacht. Können diese jetzt schon von mir Zahlung fordern, obwohl ich das Geld noch nicht flüssig habe?
Als Erbe haben Sie nach Annahme der Erbschaft drei Monate Zeit, Nachlassverbindlichkeiten auszugleichen. Danach können Sie verklagt werden. Wenn das Erbe nicht flüssig ist, müssen Sie also notfalls einen Kredit aufnehmen.
Berta G., Fürth. Ich habe ein wertvolles Mietshaus. Soll ich dieses meinem Sohn jetzt bereits überschreiben?
Tendenziell ist es günstig, ein Mietshaus zu Lebzeiten zu übertragen, wenn man sich dabei den Nießbrauch, also das Nutzungsrecht, vorbehält. Dann gilt nicht der volle Wert der Immobilie als geschenkt, sondern der um den Kapitalwert des Nießbrauchs geminderte.
Rudolf H., Olching. Meine Tante hat eine große Immobilie. Nach ihrem Tode werde ich diese Immobilie erben. Der Erbschaftsteuerfreibetrag von 20.000 Euro ist sehr gering. Habe ich den Erbschaftsteuerfreibetrag eines Kinds von 400.000 Euro, wenn mich meine Tante adoptiert?
Ja. Voraussetzung der Erwachsenenadoption ist aber das Vorliegen eines „Eltern-Kind-Verhältnisses“. Zwischen Ihnen und Ihrer Tante muß also eine sehr gute und langjährige Beziehung bestehen. Ist das der Fall, steht einer Adoption nichts im Wege. Mit Adoption gelten Sie als Kind Ihrer Tante mit dem erhöhten Freibetrag.
Herbert F., München. Sind gleichgeschlechtliche Partner beim Vererben und Verschenken Ehegatten gleichgestellt?
Fast. So haben sie beispielsweise auch den Freibetrag eines Ehegatten von 500.000 Euro und die Möglichkeit, die gemeinsam genutzte Wohnung steuerfrei zu erben, wenn sie dort zehn Jahre wohnen bleiben, Voraussetzung ist, daß die Partnerschaft nachdem Lebenspartnerschaftsgesetz eingetragen wurde. Einen Unterschied zur Ehe gibt es aber: Sobald die Freibeträge überschritten sind, fällt der eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartner in die ungünstige Steuerklasse III.
Dorina S., Bad Tölz. Ich habe zwei Söhne, die mein großes Einfamilienhaus mit 1400 m² Grund und 316 m² Wohnfläche jeweils zur Hälfte erben werden. Nur ein Sohn kann in der Immobilie wohnen. Zusätzlich habe ich Bankvermögen von 150.000 Euro. Was bedeutet die neue Erbschaftsteuer für mich?
Jeder Sohn hat einen Erbschaftsteuerfreibetrag von 400.000 EUR. Dieser Freibetrag umfasst alle Nachlaßgegenstände, also auch Bank- und Immobilienvermögen. Überdies haben Ihre Söhne möglicherweise einen zusätzlichen Immobilienfreibetrag. Voraussetzungen hierfür: Jeder Sohn muss zehn Jahre lang nach ihrem Tod in der Immobilie wohnen. Und: Kein Sohn darf über 200 m² Wohnfläche erben. In Ihrem Fall gilt: Jeder Sohn erbt die Hälfte von 316 m² Wohnfläche also 158 m². Wenn aber nur ein Sohn nach ihrem Tode in der Immobilie wohnt, kommt auch nur er in den Genuss des zusätzlichen erbschaftsteuerlichen Immobilienfreibetrags. Der Sohn, der nicht in der Immobilie wohnt, etwa weil er in einer anderen Stadt lebt und arbeitet, hat nur den allgemeinen Erbschaftsteuerfreibetrag von 400.000 EUR. Dieser Sohn muß dann Steuer zahlen, soweit der Wert seines Erbanteils (der halbe Anteil an der Immobilie und am Bankvermögen) 400.000 EUR übersteigt.
Karl K., Nürnberg. Ich habe eine Immobilie mit einem Wert von 800.000 EUR, die vermietet ist. Erben werden meine beiden Töchter je zur Hälfte. Da meine Töchter die Immobilie nicht selbst nutzen können, haben sie wohl nach meinem Tode ein Erbschaftsteuerproblem, oder?
Nein. Bereits der allgemeine Erbschaftsteuerfreibetrag von jeweils 400.000 EUR für jedes Kind reicht aus. Berechnung: Immobilienwert 800.000 Euro minus 10 Prozent Bewertungsabschlag für vermietete Immobilien macht 720.000 EUR. Geteilt durch zwei ergibt das 360.000 Euro. Ihre Töchter müssen damit keine Erbschaftsteuer bezahlen. Auf den besonderen Immobilienfreibetrag kommt es nicht an.
Carolin, F., München. Ich habe eine Immobilie, zwei Kinder, die sich nicht gut vertragen, und noch kein Testament. Ist ein Testament ratsam?
Ja. Ohne Testament werden die Kinder zwar gesetzliche Miterben zu jeweils der Hälfte. Eine Erbengemeinschaft bietet aber viel Konfliktpotenzial. Ein Miterbe kann die Immobilie nach ihrem Tode auch gegen den Willen seines Miterben versteigern oder die Verwaltung blockieren. Es ist wichtig, in einem Testament Regelungen aufzunehmen, die von vornherein Streit zwischen ihren Kindern vermeiden.