Die „griechische Krankheit“ greift um sich

Zuletzt richtete sich das Augenmerk vor allem auf Griechenland und seine enormen Schulden, doch am westlichen Rande Europas kämpft ein EU-Mitglied mit ähnlichen Problemen. Auch in Lissabon muss die Regierung das Defizit in wenigen Jahren gewaltig drücken.
von  Abendzeitung
José Socrates muss kräftig sparen
José Socrates muss kräftig sparen © dpa

LISSABON - Zuletzt richtete sich das Augenmerk vor allem auf Griechenland und seine enormen Schulden, doch am westlichen Rande Europas kämpft ein EU-Mitglied mit ähnlichen Problemen. Auch in Lissabon muss die Regierung das Defizit in wenigen Jahren gewaltig drücken.

Neben Griechenland kämpft auch Portugal in der Euro-Zone mit einem gewaltigen Haushaltsdefizit. Die Minderheitsregierung des sozialistischen Ministerpräsidenten José Socrates will die Neuverschuldung von 9,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im vergangenen Jahr bis 2013 wieder auf die vom Stabilitätspakt erlaubten 3 Prozent senken – ohne Steuererhöhungen.

Doch Gewerkschaften und die Opposition machen ihm das Leben schwer. Socrates hatte im Januar ein Sparpaket vorgestellt, das die Neuverschuldung in diesem Jahr auf 8,3 Prozent reduzieren soll. Der Chef der Mitte-Links-Regierung will im öffentlichen Dienst Arbeitsplätze streichen und die Gehälter einfrieren. Am Freitag protestierten Tausende Beamte vor dem Finanzministerium in Lissabon gegen die angekündigte Einfrierung ihrer Bezüge.

Auch die Finanzmärkte verfolgen die Entwicklung im ärmsten Land des westlichen Europas mit zunehmender Nervosität – denn es geht auch um die Stabilität des Euros. Die Börse in Lissabon brach am Donnerstag um fünf Prozent ein und verlor am Freitag weitere drei Prozent. Weil es für den portugiesischen Staat immer teurer wird, Geld am Kapitalmarkt aufzunehmen, musste eine Staatsanleihe mit einem geplanten Volumen von 500 Millionen auf 300 Millionen Euro reduziert werden.

Umstrittene Pläne für autonome Regionen

Ökonomen erklären die fallenden Aktienkurse mit wachsenden Zweifeln am politischen Willen, das Defizit rasch zu reduzieren. Die Nagelprobe dafür: Am Freitag wollten die Oppositionsparteien den zu Portugal gehörenden Inseln der Azoren und Madeira gestatten, weitere Schulden anzuhäufen. Das würde in den nächsten vier Jahren ein 400-Millionen-Euro-Loch in den Sparhaushalt reißen.

Die Opposition verfügt über genügend Abgeordnete, um diesen Vorschlag im Parlament durchzubringen. „Wir könnten in diesem kritischen Augenblick kein schlechteres Signal senden“, warnte indes Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos. Er kündigte an, den Vorstoß mit allen rechtlichen und politischen Mitteln stoppen zu wollen. Regierungschef Socrates versuchte am Donnerstagabend noch einmal, die Chefin der größten Oppositionspartei, Manuela Ferreira Leite, umzustimmen.

Ex-Minister rät: Raus aus der Euro-Zone

Die Lage ist ernst: Die Staatsverschuldung dürfte in diesem Jahr auf 85,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen, nach 76,6 Prozent 2009. Die Arbeitslosenrate erreichte zuletzt die Rekordmarke von zehn Prozent. Der frühere Wirtschaftsminister Daniel Bessa hat ein einfaches Rezept gegen die Krise parat: „Wir müssen die Euro-Zone verlassen. Wir gehören da aufgrund der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit einfach nicht hin.“

Und Griechenland und Portugal sind nicht die einzigen Länder, die den Analysten Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Auch Spanien entwickelt sich zum Problemfall, und Irland und Italien kommen ebenfalls immer mehr «ins Gespräch». (apn/dpa)

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