Der Sieg der Politik

Die Politik vermag viel mehr, als wir alle ihr oft zutrauen: Frank Müller, stellvertretender Chef-Redakteur der AZ, über die neue Bedeutung der Politik in Zeiten der Finanzkrise.
von  Abendzeitung
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Die Politik vermag viel mehr, als wir alle ihr oft zutrauen: Frank Müller, stellvertretender Chef-Redakteur der AZ, über die neue Bedeutung der Politik in Zeiten der Finanzkrise.

Dass jede Krise auch eine Chance birgt, ist eine Floskel, die im Wörterbuch der gesammelten Sonntagsredner- Platitüden ganz vorne steht. Nun jedoch, da die Krise so groß ist, dass alle Sonntagsreden sich verbieten, zeigt sich der sehr wahre Kern dieses Satzes. Die Finanzkrise mag riesig sein und schwer in den Griff zu kriegen. Der Staat aber ist noch mächtiger und kann es schaffen, wenn er beherzt zupackt – weil ganz einfach gelingen muss, was nicht misslingen darf. Es ist ein beispielloses Gesetz, das in diesen Tagen in Berlin auf noch nie dagewesene Art und Weise durchs Parlament gepeitscht wird. Gigantisch dimensioniert, verabschiedet wie im Ausnahmezustand: Das Gesetz zur Rettung der Finanzwirtschaft hat Ausmaße, die vielen Parlamentariern Bauchschmerzen verursachen. Denn schließlich greift es in ihr Allerheiligstes ein: in das Budgetrecht.

Dass die Abgeordneten quer durch die Fraktionen den Weg dennoch mitgehen, wird ihre Macht nur kurz beschneiden, langfristig aber stärken. Denn die Lehre aus dieser Berliner Woche ist: Die Politik vermag viel mehr, als sie selbst manchmal denkt – und als wir alle ihr oft zutrauen. Am Ende könnte sie es vielleicht gar schaffen, die abstrus hohen Vorstandsgehälter in deutschen Banken auf ein sozialverträgliches Maß zurechtzustutzen – wer hätte das noch vor wenigen Wochen für denkbar gehalten? Doch wenn man will, geht auch das, ganz im Sinne des pathetischen Obama-Satzes „Yes we can“. Der Staat, das sind schließlich wir alle.

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