Der Patient als Geisel
"Viele Ärzte verschweigen, dass sie ganz passabel verdienen": Volker ter Haseborg, AZ-Redakteur, über den Streik der bayerischen Fachärzte.
Wir Bürger zahlen in diesem Jahr höhere Krankenkassenbeiträge. Gleichzeitig bekommen niedergelassene Ärzte in Bayern 280 Millionen Euro mehr Geld. Trotzdem haben die Fachärzte jetzt gestreikt. Frauenärzte sagen, dass sie pro Patientin gerade mal 5,50 Euro im Monat bekommen. Wenn wir Ärzte so jammern hören, können wir Verständnis bekommen. Dabei zeigt der Streik, wie unsolidarisch die Ärzte untereinander sind.
In dem gleichen Maße, wie Bayerns Fachärzte jetzt die Solidarität der Bürger einfordern, sollten sie sich ihre Kollegen vornehmen. Denn während die Frauenärzte von der Honorarreform benachteiligt werden, profitieren die Laborärzte. Im Schnitt könnte jeder Facharzt in diesem Quartal 4,2 Prozent mehr Gehalt bekommen als vor einem Jahr. Warum einigen sich die Mediziner nicht darauf, dass alle profitieren? Sehr verdächtig ist, dass sich die Ärzte in Sachen Streik uneins sind: Einige streiken, andere nicht, einige jammern, andere schweigen. Solidarität sieht anders aus.
Doch anstatt bei ihren Kollegen eine Umverteilung einzufordern, nehmen die Fachärzte ihre Patienten als Geiseln. Sie drohen damit, ältere Menschen in Altersheimen nicht mehr zu besuchen. Sie spielen mit dem Gedanken, nur gegen Vorkasse zu behandeln. Und sie sperren ihre Praxen zu. Viele Ärzte verschweigen, dass sie mit Privatpatienten und Zusatzleistungen ein ganz passables Einkommen erzielen. Viele Patienten blicken in diesem Streit nicht mehr durch. Nur eins ist klar:Wir zahlen mehr für die Gesundheit – und werden schlecht behandelt.
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