Der Kampf um den Job: Kündigungsschutzklagen häufen sich

In Zeiten der Krise versuchen Arbeitgeber mehr denn je, ihre Mitarbeiter loszuwerden. Nicht immer mit lauteren Mitteln: „Die Arbeitgeber ziehen alle Register“, sagt ein Rechtsexperte
von  Abendzeitung
Ausschnitt aus dem Kündigungsschutzgesetz
Ausschnitt aus dem Kündigungsschutzgesetz © dpa

In Zeiten der Krise versuchen Arbeitgeber mehr denn je, ihre Mitarbeiter loszuwerden. Nicht immer mit lauteren Mitteln: „Die Arbeitgeber ziehen alle Register“, sagt ein Rechtsexperte

Zwei Tage vor Silvester flatterte Korbinian L. die Kündigung ins Haus. Die Krise der Autoindustrie hatte den Münchner Staplerfahrer erreicht. Der bayerische Automobilbauer hatte den Auftrag seiner Zeitarbeitsfirma gekündigt, der 50-jährige Leiharbeiter wurde nicht mehr gebraucht.

Korbinian Luft klagte vor Gericht – wie viele andere Krisenopfer auch. Der DGB-Rechtsschutz registriert für Bayern alleine im ersten Halbjahr eine Zunahme von 68 Prozent bei den Kündigungsschutzverfahren. Auch beim Arbeitsgericht München steigen die Zahlen seit Jahresanfang sprunghaft an: Im Februar waren es 1961 Verfahren. Ein Plus von 178 Klagen oder knapp zehn Prozent im Vergleich mit dem Vorjahresmonat. Seitdem liegen die Zuwachszahlen jeden Monat zwischen 100 und 600 Klagen. Im Oktober waren es 1938 Verfahren – 14 Prozent mehr als vor einem Jahr.

Die Gangart wird härter

Die Zahlen zeigen: Die Gangart zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern wird härter. Verhaltensbedingte Kündigungen hätten sich verdoppelt, berichtet Marcus Schneider vom Münchner DGB Rechtsschutz Ein typischer Vorwurf: Der Mitarbeiter habe vorsätzlich schlecht gearbeitet (siehe Kasten) „Die Arbeitgeber ziehen alle Register“, sagt Schneider. „Die Krise muss als Grund herhalten, um zu entlassen.“

Ähnliches beobachtet Christine Steinicken, Arbeitsrechts-Anwältin in der Münchner Kanzlei Helm: „Oft werden auch betriebsbedingte Kündigungen vorgeschoben, um Leute loszuwerden“, sagt sie. In vielen Fällen seien die Entlassungen aber anfechtbar. „Die Arbeitgeber tun sich oft schwer, konkrete Gründe für die Kündigung zu nennen“, weiß auch der Münchner Anwalt Knut Müller. Der Arbeitsrechts-Experte vertritt beide Seiten, kennt das Problem aus Arbeitnehmer- wie Arbeitgeber-Perspektive. Auch er sagt: Die Zeiten sind härter geworden: „Die Vergleichsbereitschaft bei Kündigungsschutzklagen nimmt stark ab.“

Das Arbeitslosengeld wäre höher ausgefallen als der Lohn

Vergleich bedeutet in einem Arbeitsrecht-Verfahren meist Abfindung. „Da gibt es keine Gewinner oder Verlierer“, meint Richter Dieter Gerhard vom Münchner Arbeitsgericht. Die Höhe der Abfindung richtet sich dabei nach den Prozesschancen. Die Arbeitsrichter schlagen bei offenem Ausgang oft die Faustformel vor: pro Jahr der Betriebszugehörigkeit ein halbes Bruttomonatsgehalt.

Bei Korbinian L. wären das etwa 3200 Euro gewesen. Doch am Ende sprangen nur 1500 Euro raus. Seine Chancen standen von vorneherein schlecht. Die Zeitarbeitsfirma bot ihm einen Job fern der Heimat an. Ein Angebot, dass der zweifache Vater allerdings kaum annehmen konnte. Sein Arbeitslosengeld wäre höher ausgefallen als sein Lohn. Und der hätte nicht einmal gereicht, um für die Fahrtkosten zwischen Arbeit und Familie sowie für Miete und Lebenshaltung aufzukommen.

John Schneider

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