Der Hoffnungsträger
Die Weltöffentlichkeit blickt auf die USA, teils in gespannter Erwartung, teils in leidvoller Erfahrung. Matthias Maus über den kometenhaften Aufstieg von Barack Obama.
Es soll ja Menschen geben, die sich nicht faszinieren lassen vom spannendsten Wettkampf der politischen Zeitgeschichte. Es sind aber vermutlich weniger geworden nach den Ereignissen der letzten Stunden. Kaum jemand, der nicht gebannt ist vom Aufstieg des Barack Obama. Amerika inszeniert die „Greatest Show on Earth“, und es sind diesmal nicht die Starsüchtigen und Promi-Jäger, die zuschauen. Von Kuala Lumpur bis Oslo, von Brasilia bis Nairobi schaut die Weltöffentlichkeit auf die USA, teils in gespannter Erwartung, teils in leidvoller Erfahrung.
Die Bush-Jahre waren unermesslich teuer für die USA, und das nicht nur wegen der Kriegskosten. Unbezahlbar ist der Rufschaden, den Amerika genommen hat. Guantánamo oder Abu Ghraib, das sind globale Schlagworte der Schande, die nicht so schnell vergessen sein werden.
Vor diesem düsteren Hintergrund wirkt Obamas Aufstieg zum Hoffnungsträger strahlender. Es gibt Experten, die glauben, der weltweite Anti-Amerikanismus werde bei Obamas Wahl zusammenfallen wie ein Soufflé. So weit muss man sich nicht versteigen. Obama ist sicher kein Wunderheiler, und ein guter Volkstribun ist noch kein guter Staatsmann. Aber ein Schwarzer, ein Mitglied einer unterdrückten Minderheit, an der Spitze des mächtigsten Staates – was für ein Fanal!
Ein stärkerer und überzeugenderer Beweis für die Vitalität und die Kraft der Demokratie ist kaum vorstellbar. Den könnte eine Staatsform gut brauchen, die weltweit gerade keine gute Konjunktur hat.
Der Autor ist Chefreporter der Abendzeitung