Der Amok-Kauf: Quelle-Server brechen zusammen
Ausverkauf bei Quelle: Ein Massenandrang der Nutzer legt das IT-System lahm. Erboste Kunden fordern höhere Nachlässe, Beschäftigte hoffen, ihre Jobs wenigstens bis Weihnachten zu behalten
FÜRTH Auf die Entwarnung folgte der Zusammenbruch. Man sehe sich für den Ausverkauf des Quelle-Warenlagers „gut gerüstet“, versprach Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg noch am Samstagmittag. Wenig später, am frühen Sonntagmorgen, versagte das Computersystem unter dem Ansturm der Schnäppchenjäger den Dienst. Statt der erhofften Billigstangebote sahen Internet-Nutzer nur eine Fehlermeldung auf dem Schirm.
Quelle wird abgewickelt, und Zigtausende Schnäppchenjäger wittern bei der großangelegten Leichenfledderei ihre Chance. Immer wieder gingen am Sonntag die Rechner des Versandhändlers in die Knie, trotzdem schafften es hartnäckige Nutzer, sich bis zur Quelle-Homepage durchzuklicken. „Alleine bis 12 Uhr gab es 19 200 Bestellungen“, berichtete ein Sprecher des Quelle-Insolvenzverwalters. Mehr als 660 000 Menschen hätten in dieser Zeit die Homepage besucht.
18 Millionen Artikel, die Hälfte davon Bekleidung, müssen raus und werden um bis zu 30 Prozent billiger angeboten. Möbel werden mit 20 Prozent, Technik mit 10 Prozent Nachlass verkauft. Etliche Kunden hatten sich offensichtlich noch höhere Preisabschläge erhofft und machten ihrem Ärger mit erbitterten Kommentaren im Internet Luft: „Die haben immer noch nicht begriffen, dass Online-Kunden in kürzester Zeit die Preise vergleichen können“, wetterte ein Nutzer auf Abendzeitung.de. Die vermeintlichen Quelle-Schäppchen seien „immer noch wesentlich teurer als bei Amazon, Redconn und Co., und das bei einem Abverkauf!“. Internet-Gerüchte, wonach Quelle ab Mitte November alle Produkte zur Hälfte des Preises verramschen wolle, ließ das Unternehmen unkommentiert.
Die Quelle-Beschäftigten verfolgen den Abverkaufs-Rausch mit geteilten Gefühlen. Betriebsratschef Ernst Sindel hegt zwar immer noch Hoffnungen auf eine Teilrettung des Versandhändlers, muss aber gleichzeitig so laut wie möglich die Sterbeglocke läuten. Jeder Cent, der jetzt noch hereinkommt, erhöht schließlich die Insolvenzmasse und landet damit wenigstens zum Teil in den Taschen der Mitarbeiter. Wenn es gut läuft, hält der Ausverkauf bis Weihnachten 4300 Beschäftigte in Lohn und Brot.
Für 2000 Beschäftigte gibt es dagegen nichts mehr zu hoffen – ihr letzter Arbeitstag endete am Freitag. Auch die Quelle-Gläubiger müssen sich auf Ausfälle einstellen, unter ihnen der Freistaat Bayern. Bayern hatte 21 Millionen Euro des 50-Millionen-Massekredits übernommen und steht in der Gläubiger-Reihenfolge auf Rang drei. Finanzminister Fahrenschon rechnet nicht damit, das Geld heuer noch zurückzubekommen.
Derweil signalisiert der Brillenhändler NobleLook.com Interesse für das Onlinegeschäft von Quelle und die Hausmarke Privileg. Geplant sei, Quelle zum Spezialversender für Haushaltsartikel und Unterhaltungselektronik umzubauen. Für die Marke „Quelle“ interessiert sich der Versender Otto.sun
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