Daten-Affäre bei der Bahn: Ein Aufpasser für Mehdorn?

Der Bahn-Boss gibt in der Daten-Affäre seine Lieblingsrolle als allseits gehasster Chef. Hartmut Mehdorn könnte einen Moderator gebrauchen, sagt Experte Stroebe im Gespräch mit der AZ.
von  Abendzeitung
Ein Wohlfühl-Boss ist Hartmut Mehdorn nicht, will er auch gar nicht sein. Führungskräfte wie ihn gibt’s kaum noch, sagt der Management-Experte. Foto: AP
Ein Wohlfühl-Boss ist Hartmut Mehdorn nicht, will er auch gar nicht sein. Führungskräfte wie ihn gibt’s kaum noch, sagt der Management-Experte. Foto: AP © az

BERLIN - Der Bahn-Boss gibt in der Daten-Affäre seine Lieblingsrolle als allseits gehasster Chef. Hartmut Mehdorn könnte einen Moderator gebrauchen, sagt Experte Stroebe im Gespräch mit der AZ.

Entschuldigen? Er doch nicht. „Ich habe etwas Gutes gemacht und nichts Schlechtes“, tönte Bahnchef Hartmut Mehdorn, nachdem ihn etliche Politiker wegen der Daten-Affäre kritisiert hatten. Um gegen die Korruption im eigenen Unternehmen vorzugehen, hatte das Bahn-Management die Daten von 173000 Bahnern mit denen von Lieferanten abgeglichen – für Mehdorn-Gegner eine weitere Unsäglichkeit in der Vita des bulligen Managers.

Mehdorns trotzige Wurschtigkeit sorgt mittlerweile sogar im Bahn-Aufsichtsrat für Unmut. Die Arbeitnehmervertreter beantragten eine Sondersitzung des Gremiums. Im äußersten Fall droht Mehdorn die Abberufung. Management-Berater Rainer Stroebe ordnet währenddessen das Verhalten Mehdorns aus psychologischer Sicht ein – und hat in dem Konzernboss einen Repräsentanten einer seltenen Manager-Spezies ausgemacht.

Stroebe analysiert die Konflikttypen in Management-Etagen. Ellenbogen-Charaktere vom Schlage Mehdorns gebe es kaum noch, berichtet er. „Die wenigsten Vorstände in Deutschland haben den Mut zur Konfrontation.“ Dies sei kein Wunder, sagt Stroebe, nachdem die Deutschen im vergangenen Jahrhundert mit autoritärem Vorgehen in den eigenen Reihen dramatisch schlechte Erfahrung gemacht hätten. Gefragt sei stattdessen der auf Konsens achtende Manager wie der frühere Siemens-Chef Heinrich von Pierer – auch wenn ein Wohlfühl-Vorstand nicht unbedingt die richtigen Entscheidungen treffe. Die Gefahr der Kuschel-Bosse, so Stroebe: Sie verlieren an Glaubwürdigkeit – zu beobachten bei Bundespolitikern, deren Entscheidungsscheu die Bürger mit einer immer geringeren Wahlbeteiligung honorierten.

Mehdorn scheint sich dagegen nach seinem wiederholten Zoff mit den Kunden wegen des Fahrpreissystems, dem Streit mit der Lokführer-Gewerkschaft GDL und zahllosen anderen Kriegsschauplätzen eine unbeirrbare Eh-schon-egal-Haltung zugelegt zu haben. Sein Risiko: „Wer nie auf die anderen hört, entwickelt unter Umständen einen blinden Fleck in der Wahrnehmung“, sagt Stroebe. Führungskräften mit ausgeprägtem Durchsetzungsvermögen rät der Psychologe deswegen unter anderem zum „Führen durch Fragen“ – also dazu, diejenigen im Konzern, die von seinen Entscheidungen betroffen sind, an der Problemlösung zu beteiligen.

Fällt diese Haltung Hartmut Mehdorn schwer? Vielleicht muss er sie ja gar nicht selbst einnehmen. Ideal seien Management-Teams, in denen sich unterschiedliche Führungsansätze ergänzen, sagt Rainer Stroebe. Gebt Mehdorn einen Moderator an die Seite!, könnte also die Forderung lauten. Schließlich nützen, gibt Stroebe zu bedenken, selbst 100prozentig richtig Entscheidungen nichts, wenn sie mit null Prozent Engagement von den Betroffenen umgesetzt werden. sun

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