Das Turbo-Urteil
"Wollte man Klatten einen Prozess mit allen Details ersparen?": Der AZ-Gerichtsreporter über den Klatten-Prozess
Schnell, schneller, Münchner Landgericht – in nur drei Stunden und 45 Minuten hat die 8. Strafkammer den Klatten-Erpresser Helg Sgarbi abgeurteilt. Sechs Jahre Haft. Möglich gemacht hat dies der Angeklagte selbst, durch sein umfassendes Geständnis. Damit hat er seinen Opfern einen peinlichen Auftritt im Zeugenstand erspart.
Dennoch bleiben viele Fragen offen: Wo sind die erpressten Millionen der BMW-Erbin Susanne Klatten, wo ist das Sex-Video, und welche Rolle spielt eigentlich der Sektenguru Ernano Barretta in dem Schmierenstück „Sex, Lügen und Videos“?
Und eine weitere Frage taucht in diesem Verfahren wieder einmal auf: Wie gerecht ist unsere Justiz? Im selben Gericht bekam ein Totschläger sieben Jahre Haft. Sgarbi, der nüchtern betrachtet ein paar reichen Frauen Millionen abgeschwatzt hat, kam nicht viel besser weg.
Dies mag wohl an Susanne Klatten selbst liegen. Die BMW-Erbin und Milliardärin ist weltweit bekannt; sie spielt in der Champions-League der Weltwirtschaft. Einen delikaten Prozess mit allen Details und dem entsprechenden Medienecho – womöglich wollte man ihr das nicht zumuten. Der Druck war auf beiden Seiten hoch: Die Justiz wollte möglichst wenig Schmutz aufwirbeln, und auf Sgarbi lastete die zu erwartende Höchststrafe von 15 Jahren Haft. Da traf man sich in der Mitte: Das Gericht verzichtet auf umfassende Aufklärung – und Sgarbi, der einen Freispruch erkämpfen wollte, nimmt ein paar Jahre Gefängnis in Kauf.
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