Das Auto fürs spezielle Fahrvergnügen

Fahrstunde bei MAN auf dem Testgelände: mit dem Brummi übern Berg und um die Kurven
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Tipps vom Spezialisten: Christian Holzheuer macht Brummifahrer mit den Extras der MAN-Trucks vertraut. Foto: Gregor Feindt
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Liebe auf den zweiten Blick: AZ-Redakteurin Susanne Stephan mit dem Testfahrzeug, einem TGS 18/440. Fotos: Gregor Feindt
2 Liebe auf den zweiten Blick: AZ-Redakteurin Susanne Stephan mit dem Testfahrzeug, einem TGS 18/440. Fotos: Gregor Feindt

 

MÜNCHEN Hilfe! Liebe auf den ersten Blick ist es nicht, was ich für mein neues Auto empfinde. Eher Respekt. Vier Meter hoch, 18 Tonnen schwer und 16,5 Meter lang steht es vor mir: Der TGS18/440 Tanklaster von MAN. Wenn ich wollte, könnte ich es mit 28000 Litern Benzin beladen. Will ich aber lieber nicht. Wer weiß, was mein Auto heute noch mit mir anstellen wird.

„Auto“ sagen sie bei MAN, wenn sie von Neuentwicklungen sprechen. Das ist eine freundliche Untertreibung. Auf der Baumaschinen-Messe Bauma stellt MAN seine neuen Fahrzeuge vor, kapitale Brummis, die der neuen Euro-6-Norm entsprechen. Sie ist eigentlich nur eine Vorschrift, die Abgas-Grenzwerte festlegt. Aber zusammen mit dem neuen Motor verpasste MAN seinen Lkw eine neue Aerodynamik und Features, die das Herz des Truckers höher schlagen lassen. Kunden sowie eine Handvoll Journalisten dürfen auf der Teststrecke im Münchner Norden in die neuen Laster steigen. Ich bin auch dabei.

Eine Fahrstunde mit dem Lkw - da habe ich natürlich zugesagt und im Kollegenkreis angegeben: Wie ich um die Kurven brettern würde. Dass ich den Elch-Test wagen würde. Wird doch wohl zum Kippen zu bringen sein, das Teil! Jetzt, kurz vor dem Einstieg, werde ich bescheiden.Muss ich da wirklich rein? Ich muss. Immerhin: Der Blick vom Fahrersitz lässt erste romantische Gefühle für den Laster in mir keimen. Das Fahrerhaus - ein kleines Wohnzimmer. Respektabler Sound aus dem Radio, das Volkswagen samt dem Navi liefert, seitdem sich die Wolfsburger MAN einverleibt haben. Für den Fall, dass ich eine Pause bräuchte, fände ich ein Bett samt Lattenrost für den geplagten Trucker-Rücken gleich hinter mir. Jede Menge Anzeigen im Cockpit: Der elektronische Spurwächter, der Alarm schlagen würde, sollte ich einnicken und Schlangenlinien fahren. Der Abstandhalter, vom Werk her auf 50 Meter eingestellt, wie es der Gesetzgeber für Brummis auf Autobahnen vorsieht. Per Antippen lassen sich daraus 40, 30 oder nur 20 Meter machen – aber das würde die Fahrerkarte registrieren, die ähnlich der früheren runden Pappscheibe alles registriert, was der Mann (oder die Frau) hinterm Lenkrad macht. Die Bremskraft lässt sich verstärken, je nach Witterung. Auch die Stoßdämpfer kann der Fahrer härter einstellen. Das geht auf Kosten der Bequemlichkeit, muss aber sein, wenn der Tank nur halbvoll geladen ist und sich der Schwall in Kurven in tonnenschwere Fliehkräfte verwandelt.

Aber jetzt geht's erstmal los. Wieviel PS hat mein Auto noch einmal? 440, immerhin. Der Verbrauch liegt bei lächerlichen 28 Liter Diesel, auch nicht so viel mehr als mein alter Passat. Den Motor angelassen, automatisch sucht sich die Bordelektronik, die das Gewicht des Tanks registriert, den dritten Gang. Ohne Ladung ist er fürs Anfahren optimal. Die Druckluft-Handbremse raus, sonst geht gar nichts, und gaaaaanz sacht aufs Gas gestiegen. Neben mir sitzt Christian Holzheuer, der Brummi-Fahrlehrer von MAN. Holzheuer schult normalerweise Fahrer der MAN-Kunden. Bremsen auf nassem Asphalt, auf schneeglatter Straße, plötzliche Ausweichmanöver auf abschüssiger Strecke. Er erklärt, wann die Bordelektronik ausgeschaltet werden soll, weil sie stören würde, wenn ein Fahrer den Laster durch Vor- und Zurückfahren aus einem Schlammloch herausschaukeln will und die Räder ungleichmäßig drehen.

Mein Brummi setzt sich in Bewegung. Gutes Gefühl. Auf der Teststrecke schaukelt's zu Anfang merklich, soll es auch. Die Bodenwellen gehören zum Programm. Ein Brummi muss nach einer Welle einmal nachfedern, dann wieder ruhig fahren, sagt Holzheuer. Dann geht's um die Kurve - gaanz vorsichtig. Wie war das nochmal mit dem Elchtest? „Bremsen“ mahnt Holzheuer, und nochmal, dringlicher, „Bremsen!!“. Spannend wird es nach der dritten Runde.

Eine scharfe Rechtskurve, dann ist links neben der Straße auf einmal ein Mäuerchen, rechts auch. Die Fahrbahn schrumpft auf gefühlte 80 Zentimeter, und es geht bergauf. Hektischer Blick in den linken, in den rechten Außenspiegel. „Typischer Autofahrerfehler“, schnauft Holzheuer, „viel zu weit links gefahren“. Ich gebe Gas, aber jetzt steigt Holzheuer auf die Bremse. Anfahren am Berg, wollte ich das wirklich üben? Mit 18 Tonnen, die mich rückwärts nach unten ziehen? Gottseidank gibt's die Bergauf-Anfahrhilfe. Ich gehe von der Bremse und habe zwei Sekunden Zeit, Gas zu geben - so lange hält die Automatik die Bremswirkung aufrecht. Brummi-Hokuspokus. Eine kurze Schrecksekunde habe ich trotzdem, aber erst ein paar Meter später: Als das Automatikgetriebe am Berg den Gang rausnimmt, der Laster fast stehenbleibt und der Motor hochdreht, dauert's scheinbar ewig, bis der nächste Gang greift und der Motor zieht. Dann die vierte Runde, die fünfte. Hat jemand jemals gesagt, dass Lkw-Fahren schwierig ist? Nach 45 Minuten ist meine Fahrstunde vorbei. „Rückwärts raus!“, mahnt Holzheuer. Trucker, die nach mehrstündiger Fahrt schneidig aus dem Fahrerhaus springen, gefährden ihre Gelenke. Brav steige ich die Leiter runter. Schade eigentlich. Wäre nicht das Parkplatzproblem in Untergiesing, würde ich den TGS am liebsten gleich mit nach Hause mitnehmen. Mein Auto.

 

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