Bund setzt letzte HRE-Aktionäre vor die Tür
MÜNCHEN - Verhindern konnten sie ihren Rausschmiss nicht - so versuchten die verbliebenen HRE-Aktionäre die Entscheidung zumindest hinauszuzögern. Die Hauptversammlung wurde so turbulent, dass der Aufsichtsratschef die Polizei rief.
Vor der vollständigen Übernahme der Hypo Real Estate (HRE) durch den staatlichen Rettungsfonds Soffin haben die letzten verbliebenen Kleinaktionäre ihrer Wut noch einmal Luft gemacht. Auf einer turbulenten Hauptversammlung warfen sie dem Bund am Montag Enteignung und «Bankraub ohne Pistole» vor. Nach Tumulten aufgebrachter Kleinanleger wurde die außerordentliche Aktionärsversammlung kurzzeitig unterbrochen.
Aufsichtsratschef Bernd Thiemann rief die Polizei zu Hilfe, als sich rund 50 Aktionäre rund um das Rednerpult scharten und skandierten: «Thiemann raus!» Zunächst hatte sich ein Aktionär unerlaubt ans Pult gestellt, den Thiemann vergebens vom Podium zu weisen versuchte. Als die Traube aufgebrachter Aktionäre nicht vom Podium ging, unterbrach Thiemann die Hauptversammlung für 15 Minuten. Der verhinderte Redner wurde von Ordnern aus dem Saal geleitet, die Polizei griff nicht ein.
Anschließend wurde die Debatte fortgesetzt. Trotz des Proteststurms der Aktionäre gegen die vollständige HRE-Verstaatlichung brachte der Bund als Mehrheitseigner die zwangsweise Abfindung der verbliebenen Anleger, den so genannten Squeeze Out, auf den Weg. Damit setzt der Bund ein Jahr nach der Notrettung der HRE die letzten Aktionäre des Konzerns vor die Tür - es ist die erste Zwangs-Verstaatlichung einer Bank in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg.
«Staat wie ein Raubritter»
«Wir empfinden das als eine kalte Enteignung», kritisierte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Für ihre Aktien sollen die Anleger eine Abfindung von 1,30 Euro je Aktie erhalten. Die DSW hält die Abfindung für unangemessen niedrig. «Das sind nichts anderes als Almosen», sagte Bergdolt. Gegen die Entscheidung liefen die Aktionäre Sturm und versuchten das Ende der Veranstaltung mit immer neuen Wortmeldungen hinauszuzögern.
«Es ist ein Skandal, dass ein demokratischer Staat wie ein Raubritter auftritt», rief ein Aktionär. Andere sprachen von «staatlicher Willkür», «Verschwörung», «Diebstahl» und «Schande». Am Nachmittag schloss Thiemann zwar die Rednerliste, zu diesem Zeitpunkt lagen aber noch rund 50 Wortmeldungen vor. Am Ergebnis des Treffens können die Aktionäre trotz ihrer Proteste aber nichts ändern, da der Bund bereits mehr als 90 Prozent der Aktien hält und das Abstimmungsergebnis damit sicher war.
Schleppende Sanierung
Vorstandschef Axel Wieandt warb angesichts der dramatischen Lage der HRE um Verständnis für die Verstaatlichung. «Wir sind uns selbstverständlich der Tatsache bewusst, dass viele von Ihnen es vorziehen würden, wenn sie Aktionäre der Gesellschaft bleiben könnten», sagte er. Zu der vollständigen Verstaatlichung gebe es aber keine Alternative. Wieandt verwies auf die prekäre Lage: Noch in diesem Jahr benötige die HRE mit Blick auf die anhaltenden Verluste weitere sieben Milliarden Euro Unterstützung. Die Sanierung mache zwar Fortschritte, doch vor 2012 dürfte die HRE nicht in die Gewinnzone zurückkehren.
Bei seiner Rede wurde Wieandt, der erst nach dem Beinahe-Zusammenbruch zur HRE gekommen war, immer wieder von Pfiffen und Buh-Rufen unterbrochen. Vor einem Jahr stand die HRE kurz vor dem Kollaps und musste in einer dramatischen Aktion vom Bund und anderen Banken aufgefangen werden. Eine Pleite des Konzerns hätte damals aus Sicht der Bundesregierung katastrophale Folgen für den Finanzplatz Deutschland gehabt. Inzwischen hat die HRE Kapitalhilfen und Staatsgarantien von mehr als 100 Milliarden Euro erhalten, um nicht zu kollabieren. (dpa/AP/nz)