Bitter und traurig
Die Welt wird um eine historische Chance betrogen. AZ-Redakteurin Anja Timmermann über die Wahlen im Iran.
Die Wahl-Farce im Iran ist zutiefst bitter und traurig. Die Hoffnung war so groß, dass es einen Wandel im Gottesstaat gibt. Die Frauen, die Jungen, die Freiheitlichen sind so zahlreich und so leidenschaftlich und so frei wie seit Jahren nicht auf die Straße gegangen, um für ihren Kandidaten zu kämpfen. Umso heftiger entladen sich nun der ohnmächtige Zorn und die lange aufgestaute Wut.
Dass Mahmud Ahmadinedschad tatsächlich erdrutschmäßig gewonnen haben soll, ist ein Witz. Mag sein, dass im Westen bei der Favoritenrolle des Reformers Musawi Wunschdenken mitgespielt hat. Aber wenn jemand mühelos hunderttausende begeisterte Anhänger zu seinen Veranstaltungen lockt (anders als der Amtsinhaber mit all den gebrochenen Versprechen), ist kaum glaubhaft, dass er dann mit 30 Prozentpunkten Rückstand der Verlierer sein soll.
Dabei haben das im Westen so laut debattierte Atomprogramm oder Mahmud Ahmadinedschad Herumkeifereien gar keine so große Rolle gespielt – viel mehr waren es das tägliche Auskommen und die persönliche Freiheit. Umso bedauerlicher, dass diejenigen, die denWandel gewählt haben, nun darum betrogen werden.
Bedauerlich nicht nur für sie: Auch weltweit hätte eine Öffnung des nicht unwichtigen Gottesstaates eine fast historische Chance geboten – weil eben in Amerika wirklich der Wandel erfolgt ist und der alte, sture Hardliner hinweggefegt wurde. Obama hatte die Hand ausgestreckt. Doch der frisch gestärkte Mahmud Ahmadinedschad wird nun erst recht auftrumpfen. Auch das macht es besonders bitter.
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