Betrug wie im echten Leben

Von der Wirklichkeit eingeholt: Redakteurin schreibt über Internet-Abzocke mit geklauten Kreditkartendaten – und muss nach Feierabend entdecken, dass sie selbst ein Opfer geworden ist
von  Abendzeitung
2591,67 Euro abgebucht: AZ-Redakteurin Susanne Stephan.
2591,67 Euro abgebucht: AZ-Redakteurin Susanne Stephan. © az

Von der Wirklichkeit eingeholt: Redakteure schreibt über Internet-Abzocke mit geklauten Kreditkartendaten – und muss nach Feierabend entdecken, dass sie selbst ein Opfer geworden ist

MÜNCHEN Ich doch nicht. Ich berichte über Vorstände, die Unsummen versenken – kann mir (mangels millionenschweren Etats) nicht passieren. Oder über Beschäftigte, die wegen einer Nichtigkeit wie einem Fleischpflanzerl entlassen werden – auch das ist bei der AZ unwahrscheinlich. Bei einer Tageszeitung zu schreiben, fühlt sich sicher an: Die Redakteure sitzen unangreifbar vor ihrem Bildschirmen, alle Katastrophen finden auf dem Papier statt.

Umso dummer ist’s, wenn die Realität doch einmal ins Journalistenleben schwappt. Letzte Woche war so eine Gelegenheit: Immer mehr Menschen werden Opfer von Internet-Betrügern, berichtete das Bundeskriminalamt. Sapperlot, dachte ich, klopfte 80 Zeilen ins Redaktionssystem und vergaß das Thema – fast, denn ein dummes Gefühl blieb. Vielleicht sollte ich selbst öfters nachprüfen, was sich auf meinem Konto tut?

Am Abend erinnerte mich ein Zettel in der Brusttasche an meinen Vorsatz. Ich schimpfte mich selbst für meine Hysterie, ging trotzdem ins Internet, clickte mich zu meinem Bankkonto durch. Dort tat sich: nichts. Internet-Betrüger hatten über meine Kreditkarte das Konto leergeräumt, statt eines Plus von rund 2100 Euro gähnte mich ein 400-Euro-Minus an.

Das private Konto ist leergeräumt, Online-Betrüger haben Flüge auf meine Kosten gebucht

Satte 2591,67 Euro waren abgebucht worden. Die letzte Kreditkartenabrechnung, die ich daraufhin hektisch überflog, las sich wie ein Auszug aus einem Flugplan: An die acht Destinationen sollte ich innerhalb weniger Tage angeflogen sein. Irgendwie musste jemand an meine Kreditkartendaten gekommen sein – vermutlich übers Internet, denn die Karte selbst steckte im Geldbeutel.

„Moment mal!“ hätte ich fast geschrien, „so nicht!“ Dermaßen genau wollte ich noch nie wissen, dass alles, was in der AZ steht, wahr ist. Half aber nix, das Minus blieb. Diese Recherche hatte sich aufs Übelste verselbständigt.

Die nächsten Schritte führten mich zur Polizeiwache am Mariahilfplatz. „Kommen’S nur, solche Fälle haben wir zurzeit laufend“, hatte mich ein freundlicher Beamter am Telefon ermutigt. Sein Kollege, der das Protokoll aufnahm, mühte sich mit einer neuen Eingabemaske am PC ab. Die Polizei müsse jetzt immer erfassen, wo der Tatort des Kreditkarten-Betruges sei, seufzte er. Zusammen mit dem Polizisten rätselte ich anhand der angegebenen Flugdaten ohne Erfolg, wo „Muscat“ liegt. „Wir nehmen London-Luton als Tatort“, entschied der Beamte kurzerhand.

Meine Bank war nicht ganz so unkompliziert. Ich widersprach der Abbuchung telefonisch – die Reaktion: „Tut uns leid, das geht bei Kreditkarten-Abrechnungen nicht.“ Ist verständlich, die Bank (die mir die Kreditkarte ausgegeben hat), will nicht gern auf dem Schaden durch die Online-Gaunerei sitzenbleiben. Ich will den schwarzen Peter aber auch nicht, ehrlich gesagt. Wenn’s blöd kommt, muss ich wohl einen Juristen in Gang setzen. Wenigstens habe ich dann wieder was zu berichten – über die Honorarordnung der Anwälte. sun

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